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Nova

Nova

Titel: Nova
Autoren: Wolfram Kober
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überlegte. »Das bedeutet, du erkennst mich nicht als
vernünftig an?«
Die Intelligenzen benötigen eine längere Zeitspanne, um
zu antworten. Die widersprüchliche Beurteilung seines Handelns war der gemeinsame Nenner ihrer Verständigung untereinander. Sie waren in der Lage, sich mit dem Fremdwesen zu
unterhalten und Informationen auszutauschen. Es war offensichtlich Teil einer größeren Gemeinschaft und besaß Hilfsmittel, die es auf künstlichem Wege produziert hatte. Worin aber
lag der Beweis für seine Vernunft? Waren seine Handlungen
nicht vielmehr triebhaft und von Unverstand geprägt? Gewaltanwendung und aggressive Emotionen waren bisher die einzigen Kriterien für eine Einschätzung.
»Nein.«
»Weil ich gewaltsam in den Adapter eingedrungen bin?« »Ja.«
»Du denkst einseitig, verabsolutierst und machst es dir
leicht. Das Weltall besteht nicht nur aus Hell und Dunkel. Dazwischen gibt es unendlich viele Abstufungen. Ich bin nur ein
Mensch, einer von vielen Milliarden. Wir sind als Einzelwesen
nicht vollkommen. Wir erlernen die Vollkommenheit erst.
Krieg, Zerstörung und Gewalt sind Bestandteil unserer Geschichte, doch wir haben sie überwunden.« Fealer war nun völlig ruhig geworden. »Aber nicht ein Mensch allein macht die
irdische Zivilisation, sondern wir alle gemeinsam. Warum
nimmst du nicht Kontakt mit der Menschheit auf? Du stellst
die Frage nach der Vernunft und spielst Lehrmeister und
Richter über mich. Dabei bist du selbst überheblich und egozentrisch. Beweise mir erst deine Vernunft, bevor du nach der
meinen fragst!«
Seine Antworten und Fragen überraschten die Intelligenzen. Eine Zivilisation wurde von ihren Mitgliedern geprägt.
War auch nur eins unvollkommen und schwach, machte das die gesamte Zivilisation fehlerhaft und anfällig. Wie sollte sie dann als geschlossenes System auf ihre Teile einwirken? Dieser »Mensch« erschien ihnen widerspruchsvoller als alles, was sie bisher kennengelernt hatten. Seine Aufforderung beleidigte sie nicht. Er befand sich völlig unter ihrer Entscheidungsge
walt.
»Wirst du den Tod auf dich nehmen?«
Fealer zögerte. Das war keine Frage nach dem Unabänderlichen, sondern nach dem Prinzip. Das Leben war das wertvollste, was der Mensch besaß, wenn er es richtig nutzte. Nicht
nur für sich selbst, sondern im Interesse aller. Lag sein Tod im
Interesse aller? Diente er damit der Menschheit? Er war sich
nicht sicher – doch er mußte sich entscheiden, mußte diesen
Fremden zeigen, was ein Mensch ist.
»Wenn es notwendig ist – ja.«
»Und wann ist es notwendig?«
»Wenn ich dadurch das Vertrauen zwischen dir und meiner
Heimat herstellen kann, werde ich mein Leben opfern, denn
ich trage Schuld.«
War diese animalische Einstellung ein Wesenszug der
fremden Zivilisation? Die Intelligenzen fanden bestätigt, was
sie schon zu Beginn ihres Kontaktes verzeichnet hatten. Das
fremde Wesen konnte unlogisch handeln und war von Emotionen abhängig, doch es vermochte zu lernen und zu erkennen. Eine solche Synthese war ihnen fremd, aber sie akzeptierten sie.
Das Sonderbare war, das Wesen war egoistisch in bezug
auf seine Gefühle, aber nicht hinsichtlich seiner Gesellschaft. Gab es noch andere Vernunft außer der ihren? Man müßte
sie erforschen.
In diesem Moment spürten sie, daß der Verbindungskanal
einer aktiven Störung unterlag. Er wurde durch ein Schwerefeld verformt, wohl infolge von Gravitationsschwankungen
des Triplesystems, das auf dem Metrikbogen zum Adapter
lag. Der Kanal brach zusammen. Sie mußten sich sofort zurückziehen.
»… werde dich zu deiner…«
Das Oktaederlicht begann zu flackern. Die Stimme in seinem Inneren wurde schwach und gebrechlich.
»Nein! Warte!« schrie Fealer. »Ich habe noch viele Fragen an
dich!«
»… nicht mög… zusammen… Energiebrücke…« »Wirst du wiederkommen?«
»… wenn Analyse… vernünftig…«
Der Fleck vor ihm rollte sich zusammen, verschwand in einem Fünkchen. Dunkelheit.
    Garbors Unruhe wuchs von Minute zu Minute. Fealer, bereits zwei Stunden außerhalb ihres Schiffes, befand sich seit einer Stunde im Inneren des fremden Flugkörpers und schwieg. Kein Lebenszeichen.
    Nichts hatte sich verändert.
Garbor schwankte. Sollte er beschleunigen und die Zone verlassen, um in den Funkbakenbereich zu gelangen? Von dort konnte er die Erde verständigen und wieder zurückkehren. Er hatte es durchgerechnet. Oder sollte er lieber abwarten? Oder Fealer zu Hilfe eilen? Er wußte es nicht. Garbor war einfach nicht in der
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