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Nova

Nova

Titel: Nova
Autoren: Wolfram Kober
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Prallgleiter war gestört, wie und warum, das wußte er nicht zu sagen. Die vielen Sicherheitssysteme im Fluggehäuse hätten ihn schützen müssen wie einen Embryo, aber genau das war nicht geschehen. Richtig: Er hatte die Hauptautomatik ja ausgeschaltet. Nun gut. Das automatische Flightcenter hatte seinen unprogrammierten Flug schließlich aufgezeichnet. Die Fehlfunktion des Gleiters war registriert, sicherlich würden bereits die ersten Sucheinheiten nach ihm losgeschickt.
Bizell starrte nach oben in den Filz sich ineinander verkeilender Pflanzen. Selten durchbrach ein Sonnenstrahl das Blätterdach, doch dort, wo das geschah, machte er den feuchten Brodel sichtbar und lockte ungezählte Insekten an.
    Bizell stand auf, schüttelte sich zur Probe, ob seine Knochen heil geblieben wären. Sie waren es. Was konnte er jetzt wohl tun?
Es stand außer Zweifel, daß er bald gefunden und aufgenommen wurde.
     
Obwohl, die Sucheinheiten würden es schwer haben. Er müßte ihnen mit dem Individualcommunicator die Richtung weisen.
    Erst, als er das Handgelenk zum Mund führte, um den Notruf zu senden, erinnerte er sich, daß er den IC ja zu Hause gelassen hatte, damit Jana ihn nicht störte. Ein Fluch entschlüpfte seinem Mund.
    Ausgerechnet jetzt war die verdammte Technik nicht zur Hand, jetzt, wo sie wirklich unentbehrlich war. Also mußten sie ihn so finden. Die Infrarotsucher würden ihn schon auf den Monitor bekommen.
    Doch hier unten? Bei diesen Temperaturen?
Er selbst strahlte ja nur knapp sechsunddreißig Grad aus, die Luft um ihn herum jedoch schätzte er auf vierzig. Und das Blätterdach reflektierte die Sonnenstrahlen noch stärker.
Allmählich dämmerte es Bizell, daß die Suche sich hinauszögern konnte. Wenn er eine weite Lichtung fand, wären seine Chancen auf baldige Rettung besser, weil sie ihn dann sehen konnten. Aber sosehr er sein Hirn auch zermarterte, er erinnerte sich nicht, während seines Fluges ähnliches gesehen zu haben.
Mit Hilfe des Sonnenstandes stellte er die Richtung fest, in der der Amazonas liegen mußte – etwa nordöstlich. Dort hätte er keine Sorgen gehabt.
In einem Anflug von Heiterkeit lachte er auf. Bis zum Fluß, dazu hätte er Wochen benötigt, lächerlich, den Gedanken überhaupt aufzunehmen. Ohne Essen und Trinken war das die Idee eines Schizophrenen. Doch dann sagte er sich, daß es besser wäre, nicht sinnlos herumzustehen, sondern sich ein Ziel zu setzen, und wenn schon eins, dann in Richtung Amazonas.
Schließlich sah er, daß die tropische Selvas nicht so undurchdringlich war, wie er geglaubt hatte.
Natürlich kam es ihm nicht in den Sinn, jemals bis dorthin zu laufen, aber plötzlich erschien ihm das angebrachter, als untätig auf seine Befreiung zu warten. Kurz entschlossen brach er auf.
Bereits nach Minuten ungewohnten Kletterns über umgestürzte Greenhart und Makoré, die in ungewöhnlichen Mengen hier wuchsen, erahnte Bizell die Schwierigkeiten, denen er sich da aussetzte.
Vorsichtig zwängte er sich durch wilde, ungebändigte Natur.
Bald begannen seine Beine zu schmerzen. Die Muskeln, der Anstrengung entwöhnt, arbeiteten krampfig, das Herz stieß energisch gegen den Brustkorb. Er keuchte, legte eine Rast ein.
Um ihn herum wanden sich armdicke Lianen, vor ihm nun scheinbar undurchdringliches Dickicht und schlüpfriger Boden. Breite, scharfkantige Blätter drohten seinem Weitermarsch, dahinter ragten Palmwedel und Farne auf, hoch wie Häuser.
Bizells untrainierter Organismus reagierte schon nach kurzer Zeit empfindlich. Er konnte sich kaum daran erinnern, wann er das letzte Mal gelaufen war. Im Wettkampf, nach Zeit, einige hundert Meter. War das vor zwanzig, dreißig Jahren gewesen? Muskelschmerzen? Im Vibrator vergingen sie in Sekundenschnelle, überschüssige Milchsäure wurde abgebaut, ging in den Blutkreislauf über und lagerte sich als fester Fäkalienbestand ab.
Überhaupt – wozu hätte er auch laufen sollen? Mit solch sinnlosen Tätigkeiten griff er seinen Zeitfonds nicht an. Dafür gab es Transmitter und Prallgleiter.
Vielleicht hätte er öfter das Körperkulturcenter besuchen sollen?
Aber mit dieser Frage belog er sich selbst, er wußte es. Er war nie dort gewesen. Nicht ein einziges Mal. Obwohl ihn Armling und Jorge mehr als einmal eingeladen hatten. Ihn und Jana, die ganze Familie. Manchmal standen sie vor der Tür, die Sportsachen unter dem Arm, und fragten. Er hatte abgewinkt, etwas anderes vorgeschoben. Eine dringende Analyse, einen Versuch, Janas nicht
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