Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20
Autoren: Olaf G. Hilscher
Vom Netzwerk:
überqueren. Dahinter
lagen die Deutschen Forste, riesige Waldgebiete, wo sich die Flüchtigen
verbergen konnten. Hier mussten sie mehr Furcht vor Wölfen haben als vor der
Stapo.
    Geist
hatte dem Jungen einen kleinen Computer gegeben, der eine globale Ortung
erlaubte und kleine Landkarten anzeigen konnte. Der Junge hatte seinen Erklärungen
gelauscht, diesmal war Geist sich sicher, dass er ihn verstanden hatte. Mit dem
Teil könnte seine Mutter, wenn sie die Forste durchquert hatten und wenn sie es
geschickt tauschte, sicher einen guten Preis erzielen.
     
    „Glaubst
du, sie schaffen es?“, fragte Geist, während sie den beiden hinterher sahen,
die sich in einer Mischung aus Entschlossenheit und Fügung auf den Weg machten.
Er wurde seinen Schwindel jetzt kaum noch los.
    Strolch
zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe es. Sofern die neuen IDs gut sind, die du
ihnen verpasst hast. Und wenn sie sich an unsere Anweisungen halten und es
nicht auf eigene Faust versuchen. Was dann aus ihnen wird, wenn sie in Polen
sind, wird sich zeigen. Ich hoffe, sie kommen durch.“
    „Und
wir?“
    „Zurück
können wir nicht.“
    Sie
schwiegen eine Weile.
    „Gehen
wir zum Haus. Du siehst nicht gut aus.“
    „Die
alte Buchse bringt mich noch um.“
    Böttcher
hatte frischen Tee gekocht. Es war Zeit, Pläne zu machen.
    Aus
der Tiefe des Waldes drang das Gebell von Spürhunden herüber.
     
     
    Copyright © 2012 by Christian
Günther
     
     

 

E s
könnte sein, dass ich dir längst auf den Fersen bin. Gerade in diesem Moment.
Selbstverständlich würdest du es nicht bemerken, obwohl ich dir schon einige
Tage gefolgt bin. Obwohl ich deine Lebensgewohnheiten genau studiert, deine
Wohnung durchsucht habe. Ich weiß längst alles über dein Leben, kenne deine
Gewohnheiten, deine seltsamen Bedürfnisse, all die kleinen schmutzigen Details,
deine Neurosen, deine Phobien, deine Zwänge. Ich kenne dich  besser als mich selbst
– was aber gar nicht so erstaunlich ist.
    Möglicherweise
würdest du mich sogar ein- oder zweimal sehen, aber dein Blick würde über mich
hinweghuschen. Bewusst zur Kenntnis nehmen würdest du meine Anwesenheit nicht.
Mein Gesicht ist nur eines von Millionen, eine dieser persönlichkeitslosen
Grimassen, durch die man hindurchschaut. Zu blass, zu nichtssagend, meine Züge
zu durchschnittlich, zu wenig markant. Ich  bin jeder. Meine Augen würdest du
hinter den verspiegelten Gläsern ohnehin nicht erkennen.
    Ich
würde dir also einige Tage folgen und mich dir in dieser Zeit nur zweimal
nähern.
    Beim
ersten Mal nehme ich die Probe. Ein benutztes Papiertaschentuch, ein Q-Tip, ein
ausgespuckter Kaugummi, Zigarettenfilter, ein Besteck, das du benutzt hast.
Beim zweiten Mal werde ich einen Koffer tragen.
    Dann
ist es endgültig zu spät für dich. Obwohl eine Flucht von vornherein sinnlos
gewesen wäre.
    Du
kannst nicht vor mir fliehen, genauso wenig wie du vor dir selbst davonrennen
kannst. Du hattest nie die geringste Chance. Ich mache das schon zu lange.
    Justine
taucht ab in eine Unterführung. Ich folge ihr, während Projektoren einen blauen
Himmel mit sanft dahin gleitenden Wolken auf die halbzylindrischen Tunnelwände
malen. Die Wolken formieren sich zu einem watteartigen Schriftzug und preisen
ein Psychopharmakon an. Justine konsumiert es ebenfalls. Es ist eins von
vierzehn Präparaten, die sie täglich einnimmt. Die meisten davon spült sie mit
schwerem, rotem Wein herunter.
    Heute
ist der Tag, an dem ich den Koffer trage. Nur für sie.
    Auch
Justine wird mir nicht entkommen.
    Man
sieht ihr die Werbebranche an. Teures Make-up, dunkelbraunes schulterlanges
Haar, das sie meistens als Zopf, aber heute offen trägt. Hohe, ich meine sehr
hohe Schuhe mit Absätzen wie Nadelspitzen.  Sie  machen ein Geräusch wie
Glassplitter, die über Asphalt springen. 
    Ich
beobachte sie seit drei Tagen dabei, wie sie durch ihr vorgefertigtes
Plastikleben irrt. Ja, es gibt da so etwas wie eine Struktur, einen festen
Tagesablauf. Ihrem Job geht sie pflichtbewusst nach, erfüllt ihre Aufgaben wie
ein Automat. Sie wirkt ruhig, fast erleichtert, während sie in einer
holografischen Umgebung sinnentleerte Marketingkonzepte entwickelt.
    Aber
sobald sie ihr Büro verlässt., ist da diese Unruhe. Manchmal schaut sie auf,
dreht sich um, als hätte sie ihren Namen gehört. Manchmal verharrt sie, die
Augen  zu Boden gerichtet, als würde sie zu ihren Füßen eine tiefe Erkenntnis
suchen. Und manchmal, wenn ihr Blick ihrem eigenen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher