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NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)
Autoren: Unknown
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häufig
zusammen mit anderen Fans tüchtig zechten, aber auch amateurliterarisch etwas
leisteten. Zunächst kam es zum Zusammenwirken mit Manfred Geißler an seinem
Fanzine Galactic Press, parallel dazu verlegten wir jedoch das
satirische Fanzine Orbiter (ständiges Motto: Unterdrückte Reaktionäre
aller SF-Clubs, vereinigt euch!)Von Anfang an empfanden wir nämlich das
deutsche Fandom als eine unfassbar langweilige, miefige, politisch abstossende
Szene, ein Eindruck, der sich bestätigte, als wir eine Umfrage bei
Perry-Rhodan-Clubs durchführten. Deren desaströse Geisteszustände sind in dem
Bestseller Imperium Rhodanum nachzulesen. Da wir uns auch sonst nicht
scheuten, uns mit fannischen Institutionen und sogenannten Big Fans anzulegen,
galten Ronald und ich bald als die abgefeimtesten Schufte des Fandoms, woran
wir viel Vergnügen hatten. Unser Schurkenstatus war dermaßen legendär, dass wir
noch heute öfters verwechselt werden.
    Man
kann sich die Herstellung eines Fanzines in den 1960er Jahren gar nicht
kompliziert genug vorstellen. Die Texte mussten mit einer Schreibmaschine auf Matritzen getippt werden, und die Seiten wurden per Hektographie im
S piritus- oder Tintenumdruckverfahren vervielfältigt. Das Zusammenlegen
und Binden bzw. Heften erfolgte mit der Hand und konnte, je nach Umfang und
Auflage, schon mal einen halben Tag beanspruchen. Allerdings hatten Ronald und
ich dabei immer Flaschenbier in Reichweite und darum trotz allem gute Laune.
    Mit
dem eher humorlosen Manfred Geißler lief die Kooperation weniger gut, so dass
wir das ehrgeizige Projekt des „literarischen Fanzines“ Demeter aus der
Taufe hoben. Damit war schon nach drei Ausgaben 1969 Schluss, weil Ronald zur
Bundeswehr und ich zum Zivildienst einrücken mussten. Ronald saß dort unter dem
Tarnnamen Geheimer Eichkater in einer Luftwaffenfunkstube und brachte es
fertig, da er bisweilen in Zivil zum Dienst erschien, am Ende der Dienstzeit
als Einziger seines Jahrgangs nicht befördert zu werden. Inzwischen hatte er
geheiratet (das lief so: er erblickte Karin in einer Pommesbude und dachte “Die
musst du heiraten” , was auch prompt geschah), welches Ereignis in der
späteren Entwicklung in seinen Standardspruch Und ewig plärren die Bälger mündete.
    Eine
weitere Station unseres Werdegangs bildete die Mitarbeit an der kritischen
Zeitschrift Science Fiction Times, die für die oben erwähnten
Reaktionäre ein permanentes Hassobjekt abgab und deshalb bestens zu uns passte.
Unsere Kenntnisse und Fähigkeiten haben wir in der ersten Hälfte der 1970er
Jahre so konsequent ausbauen können, dass es uns in der zweiten Hälfte möglich
wurde, im Rahmen des damaligen SF-Booms eine haupt- und freiberufliche
lterarische Profitätigkeit anzutreten, die wir bis heute ausüben.
    Unsere
Freundschaft ist stets etwas Besonderes geblieben. Ronald und ich haben uns
manchmal viele Monate lang nicht getroffen, aber beim Wiedersehen war es immer
so, als hätten wir uns noch am Vortag gesprochen. Es kam jedes Mal zu einem
sofortigen mentalen Rapport. Bis heute werden wir uns schnell einig. Dafür
sprechen wohl am besten unsere gemeinsam verfassten Bücher Alptraumland und Wo keine Sonne scheint.
    Seit
den 1970ern ist viel geschehen, leider wenig Gutes. Was könnte man noch
erzählen? Dass Ronald und ich uns auf dem SF-Weltcon in Heidelberg 1970 Rücken
an Rücken gegen aggressive US-Fans wehren mussten oder wir einmal, zu Karins
Entsetzen, 120 m² Teppichboden in zehn Minuten verlegten? Doch derlei alte
Anekdötchen könnten das Missverständnis fördern, Ronald gehöre jetzt zu den
Ausgedienten, und nichts wäre falscher. Sich der Rockmusik und der Satire zu
widmen, ist vielmehr ein anspruchsvoller Höhepunkt einer Laufbahn, die in
weiten Teilen ohnehin außerhalb der SF stattfand (kaum jemand weiß, dass in
Ronalds Bibliografie mehr Jugend- und Sachbücher als SF-Werke stehen). „Nur der
Denkende erlebt sein Leben“, schrieb Marie von Ebner-Eschenbach. Ronald denkt
im Leben immer mit; deshalb stehen bei ihm das Leben lang stets noch Interessen
und Ziele auf der Tagesordnung.
    In
letzter Zeit ist Ronald ins Fadenkreuz übelnehmender Kritik geraten. Die Frage: Was darf die Satire? ist wohl wieder akut. Darauf hat Kurt Tucholsky
schon  1919 die klare Antwort erteilt: Alles. Also darf und wird Ronald
auch in Zukunft alles geben.
     
    Copyright
© 2012 by Horst Pukallus
     

 

 
    Nach
Jahren, in denen die Ronald M. Hahn-Forschung zugunsten grünerer Wiesen
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