Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
vielleicht weil er unwillkürlich das
Dorf mitdachte, das seinerzeit spurlos darin verschwunden war. Und dann war da
natürlich noch die Kugel, das Perpetuum Immobile.
    Als
er unter dem Spreizfuß des Riesen hindurchfuhr, wurde der grelle Sonnenschein
der Taiga vorübergehend von der Stahlkonstruktion gerastert. Der Riese hatte
den Kran ersetzt, der schon im dritten Jahr unter der Wucht der Winterstürme
zusammengebrochen war. Gelagert auf zwei Füßen, die auf der Ringstraße
umhermanövriert wurden, überspannte der Riese den gesamten Krater und erlaubte
es mit seinen Auslegern, Seilwinden und Förderkörben den Forschern, mit ihren
Messinstrumenten jeden beliebigen Punkt des Kraters zu erreichen. Nur betreten
durften sie ihn nicht. Der UNO-Beschluss, der alle beteiligten
Forschungsnationen auf nicht-invasive Methoden festlegte und das Innere der Zone
für tabu erklärte, hatte auch nach dreißig Jahren noch Bestand, und wie es
aussah, würde sich auch in den nächsten dreißig Jahren wenig daran ändern. Wie
die meisten Forscher hielt Frank die Vorsichtsmaßnahmen für irrational und sah
darin einen wesentlichen Grund für die allgemeine Stagnation. Man sollte die
Politiker einmal hierher einladen, dachte er, ihnen die Lärchen und Frösche
zeigen und sie zwingen, einen Monat lang an den entnervenden Meetings
teilzunehmen, dann würden sie ihren Standpunkt vielleicht überdenken. Aber da
konnte man lange warten.
    Er
fuhr in die Tiefgarage, hielt vor seinem Namensschild, obwohl es jede Menge
freie Parkplätze gab, und öffnete Robbie die Tür. Schwanzwedelnd sprang er
heraus und sagte: „Same procedure as every day?“
    „Heute
nicht, Robbie - erst die Sitzung, dann das Interview.“
     
    Das
Sitzungszimmer wirkte leer, denn schon vor Jahren hatte man, um der stark
geschrumpften Teilnehmerzahl gerecht zu werden, den ovalen Konferenztisch durch
zwei zusammengeschobene Kantinentische ersetzt. Jurij Borshakow, der
grauhaarige Institutsleiter, war erschienen, Mei Jiao von der Arbeitsgruppe
Goldtaler, ausnahmsweise sogar Robert Delavigne, der seit dreißig Jahren die
Kugel erforschte. Dann waren da noch Gil Antonini, die sich mit ihren sechzehn
Mitarbeitern den Haken widmete, John Gross, verantwortlich für die
Dauerdokumentation, Micha Fuentes als Vertreter der Klassifizierungskommission,
Hanna Merlin, die Psychologin, die hier wie überall sonst nach neuen Klienten
fischte, sowie zwei Mitarbeiter anderer Forschungsgruppen, deren Namen Frank
entfallen waren. Außer Robbie waren noch drei weitere Elektronische Gefährten
anwesend: Borshakow hatte seinen Affen Rubin, John seinen namenlosen Gecko und
Hanna Merlin ihre Schlange Emily mitgebracht, einen trägen Tigerpython, der
sich wie ein fettiger Schal um ihren reizenden Hals schmiegte und mit einem
Auge Fuentes' Gecko fixierte. Mit ihrem engen Rock und der blauen Glitzerbluse
hatte sie etwas von einer Stripteasetänzerin in Zivil. Frank zweifelte nicht an
ihrer Qualifikation, vermutete aber, dass sich der eine oder andere potenzielle
Klient vom Python davon abhalten ließ, bei ihr Rat und Hilfe zu suchen. Dabei
hätte an Therapiekandidaten eigentlich kein Mangel herrschen sollen. In der
Einsamkeit der sibirischen Taiga wucherten nicht nur die Theorien, sondern auch
die Neurosen.
    „Na
schön“, sagte Jurij Borshakow, als Frank auf dem freien Sitz neben Hanna Platz
genommen hatte, und sah demonstrativ auf die Uhr. „Die Sitzung ist eröffnet,
das Protokoll wird automatisch erstellt, wir können uns also gleich
Tagesordnungspunkt Eins zuwenden, Antrag auf Ersatz der Toilettenspiegel.
Irgendwelche Gegenstimmen?“
    „Das
gehört nicht hierher“, brummte Delavigne mit einem scheelen Blick auf das
mitschreibende Äffchen. Dass der bei der Erforschung des Perpetuum Immobiles
alt gewordene Physiker es vorzog, sein von geplatzten Äderchen und tiefen
Falten gemustertes und vom Frust und vom Wodka erschlafftes Gesicht in den
erblindeten Spiegeln verschwimmen zu sehen, wunderte niemanden. „Für solche
Lappalien ist der Verwaltungsausschuss zuständig.“
    „Der
Ausschuss hat sich für nicht zuständig erklärt, da das Geld für die Spiegel dem
Forschungsetat entnommen werden muss. Gegenstimmen?“
    Delavigne
hob verbittert als Einziger die Hand. Borshakow nickte und sagte: „Also
angenommen. Dann kommen wir zu Punkt Zwo, Verzicht auf die analoge Archivierung
zwecks Einsparung. Es geht nicht um einen Beschluss, dazu sind wir nicht
ermächtigt, sondern um eine nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher