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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse
Autoren: M Bomm
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Zug«, erwiderte Häberle leise und wohl wissend, dass für Presseauskünfte eigentlich der Pressesprecher der Polizeidirektion im fernen Göppingen zuständig war. »Erschossen. Mehr wissen wir momentan nicht.«
    Sander, ein Mittfünfziger, der seinen Job lange genug machte, um zu wissen, dass er in den ersten Stunden nach einem Verbrechen noch keine Details erwarten konnte, hakte vorsichtig nach: »Wann können wir telefonieren?«
    »Ich denke, es wird am Nachmittag eine Pressekonferenz geben. Sie bekommen Bescheid.« Der Chefermittler lächelte dem Journalisten zu und entfernte sich wieder. Sander holte aus seiner leichten Sommerjacke eine Digitalkamera, um den ICE und die Rettungskräfte zu fotografieren. Dann verließ er den Bahnsteig wieder durch die Fußgängerunterführung, ging zum Vorplatz zurück und wandte sich dem Steg zu, der über die gesamte Gleisanlage zum jenseits am Hang gelegenen Wohngebiet führte. Ein dort postierter Uniformierter erkannte den Journalisten und gewährte ihm Zutritt zu der Treppenanlage. Von der Anhöhe des Stegs aus konnte Sander den auf Gleis 3 stehenden ICE nahezu vollständig überblicken. Er knipste auch von hier einige Fotos und beschloss, die Szenerie noch eine Zeit lang zu beobachten.
    Häberle ließ sich unterdessen von den Mitarbeiterinnen des Reisecenters im Bahnhof einen spartanisch eingerichteten Aufenthaltsraum im Nebengebäude zeigen, in dem die wichtigsten Zeugen in Ruhe vernommen werden konnten. Zusammen mit Linkohr bot er dort dem Berliner Clemens Probost einen Platz an. Der Mann hatte seinen Aktenkoffer auf den Boden gestellt und sein weißes Jackett geöffnet. Er schwitzte.
    »Tut mir leid, aber mehr, als was ick schon jesagt hab, gibt es nich zu sagen«, gab er sich gelassen, obwohl er nun einen wichtigen Termin in Dortmund verpasste, wie er behauptete.
    »Wir machen’s so kurz wie möglich«, lächelte Häberle und zog den Holzstuhl näher an den mit Zeitungen und Illustrierten beladenen Tisch heran. »Aber es kommt uns auf jede Kleinigkeit an, auf jedes Detail. Und Sie scheinen den wegrennenden Mann genau gesehen zu haben.«
    Linkohr machte sich Notizen, während Probost nachzudenken schien. »Gesehen schon, aber genau eben nicht«, korrigierte er den Kommissar. »Nur, wenn ick mir’s überleg, ist er mir heut früh in Ulm schon aufjefall’n.«
    Häberles Interesse stieg, doch dann unterbrach sein Handy die Vernehmung. Er griff in die hellblaue Freizeitjacke und meldete sich. Es war Schmittke, der ihm mitteilte, dass sich an dem 400 Meter langen und aus zwei aneinandergekoppelten Zügen bestehenden ICE keine einzelnen Waggons herausnehmen ließen. Ein ICE dieses neuen Typs, so erklärte der Leiter der Geislinger Kriminalaußenstelle, sei eine komplette Einheit, an der jede einzelne Achse einen Antrieb habe. Deshalb bleibe nur die Möglichkeit, die beiden gekoppelten Züge zu trennen und jenen mit dem Tatortwaggon komplett in Geislingen zu belassen. Häberle stimmte diesem Vorschlag zu und malte sich in Gedanken aus, dass jetzt wohl jede Menge Passagiere auf den nächsten ICE warten mussten, der dann außerplanmäßig in Geislingen halten würde. Eine logistische Herausforderung, für die jedoch andere zuständig waren. Er beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder in die Außentasche des Jacketts.
    »Sie sagten, der Getötete sei Ihnen in Ulm bereits aufgefallen«, wandte er sich an den Berliner.
    »Ja«, erklärte Probost und ließ seinen Blick über die grau-weiße und schmucklose Wand der anderen Seite schweifen. »Er ist wie ich schon eine Viertelstunde früher am Bahnsteig gewesen und hat mehrmals telefoniert.«
    »Mit dem Handy?«, hakte Häberle nach.
    »Ja, klar doch. Ist ja nischt Unjewöhnliches. Geht mich auch nischt an.«
    »Aber Sie haben gehört, was er gesprochen hat?«
    Linkohr schrieb eifrig mit.
    »Wie dat so ist, wenn man am Bahnsteig steht und warten muss. Man geht auf und ab und sucht auf der Wagenstandstafel den geeigneten Platz zum Einsteigen. Ja, und da bin ick dann auch een-, zweemal an diesem Mann vorbeigekommen.«
    »Und haben gehört, was er gesagt hat«, wiederholte Häberle noch einmal, um das Gespräch auf den Punkt zu bringen.
    »Nur kurze Gesprächsfetzen. Er war aufgeregt, ist ooch mal kurz laut jeworden. Es hat so geklungen, als warte er noch auf jemanden.«
    »Und woraus haben Sie dies geschlossen?«
    »Er hat mal janz laut jesagt – sinngemäß etwa: ›Nein, bis jetzt is’ er nich’
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