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Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Håkan Östlundh
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tiefe, nachtschwarze Enttäuschung. So war es ihm bestimmt fünf- oder sechsmal ergangen, bevor ihm klar wurde, woran das lag. Wenn er eine Seite im Internet anklickte, erwartete er in gewisser Weise, dass sich seit seinem letzten Besuch etwas verändert hatte. Dass eine Meldung, ein Beitrag, ein Kommentar oder vielleicht sogar ein neues Foto hinzugekommen war.
    Aus irgendwelchen idiotischen Gründen wartete er auf ein Lebenszeichen.
    Er blickte vom Bildschirm auf und zum Fenster hinüber, sah aber nur sein eigenes Spiegelbild. Oben auf dem Weg hörte er ein Auto. Es fuhr langsam. Er konnte den Schotter unter den Reifen knirschen hören. Waren das schon die Polizisten?
    Er schaltete den Computer aus, stand auf und knipste die Schreibtischlampe aus. Dann stand er reglos da und lauschte, während die Bäume vor dem Fenster allmählich aus der Dunkelheit hervortraten und Konturen bekamen. Das Motorengeräusch war verstummt. Eine Autotür wurde geöffnet und nach langer Stille wieder geschlossen.
    Henrik ging in die Diele, klappte die Abdeckung der Alarmanlage hoch und aktivierte die Kamera, die auf die Pforte gerichtet war. Auf dem Display konnte er mehr erkennen als durch das Fenster. Genau wie das Display seiner Digitalkamera verstärkte sie das Licht.
    Nach einer Weile erschien am Tor eine Gestalt. Sie blieb stehen und sah sich um, bevor sie den Haken aus der Öse löste und die Gartenpforte aufschob. Henrik erkannte sie sofort. Sie hatte eine andere Frisur, aber sie war es, kein Zweifel.
    Zuerst war es nur ein Wiedererkennen, aber dann überkam Henrik etwas anderes. Er spürte, dass seine Hände leicht zu zittern anfingen, und in der nächsten Sekunde schrillten in seinem ganzen Körper die Alarmglocken. Er starrte die Frau auf dem Bildschirm an. Sie war nicht zum ersten Mal hier. Geübt stupste sie das Tor zu und sah zum Haus hinunter. Sie richtete den Blick direkt in die Kamera. Er schnappte nach Luft. Adrenalin rauschte durch seine Adern.
    Henrik versuchte sich zu sammeln. Ellen, sie kam an erster Stelle. Er horchte auf Geräusche aus dem Obergeschoss. Sie schlief, aber sie war früh eingeschlafen, und wenn sie vor acht ins Bett ging, wachte sie manchmal nach einer Stunde wieder auf. Er schlich, so schnell es ging, ohne dass die Stufen knarrten, nach oben. Dort warf er einen Blick ins Kinderzimmer. Ellen schien tief und fest zu schlafen. Er machte die Tür zu und ging wieder nach unten.
    Ein Blick auf das Display. Langsam näherte sie sich dem Haus.
    Henrik öffnete den Garderobenschrank, schob den Pullover zur Seite und griff nach der Schrotflinte, die Alma ihm geliehen hatte. Jetzt brauchte er die Patronen. Die aus der Küche oder die aus dem Arbeitszimmer? Die Küche war näher, aber dort konnte man ihn von draußen sehen. Er entschied sich für das Arbeitszimmer, legte das Gewehr aber vorher auf den Boden, gleich neben der Fußleiste in der Diele. Er hielt es für keine gute Idee, damit durchs Haus zu wandern. Sie sollte ihn nicht damit sehen. Falls sie durch den Garten kam.
    Er schloss den Aktenschrank auf und fand die Patronen. Wie viele würde er wohl benötigen? Eine? Zwei? Er steckte sich zwei in die Hosentasche und behielt zwei in der Hand. Aus irgendeinem Grund nahm er sich die Zeit, die Schublade wieder zu schließen.
    Es klingelte an der Tür. Ein kurzer, entschiedener Ton. War die Tür wirklich abgeschlossen? Hatte das Klingeln Ellen geweckt?
    In der Diele beugte er sich zu dem Gewehr hinunter. Sein Herz pochte wie wild. Die Hände zitterten. Jetzt nicht nervös werden. Henrik hielt das Gewehr in der linken Hand und legte die beiden Patronen ein. Das war kein Problem. Sie rutschten fast von allein ins Magazin. Er klappte die Flinte zu, warf einen Blick zur Tür und holte tief Luft.
    Hatte er irgendetwas vergessen? Hastig musterte er die Waffe. Nein, es war alles so, wie es sein sollte. Er holte noch einmal tief Luft. Hinter der Scheibe in der Haustür sah er ihren Kopf.
    Nach sechs beherrschten Schritten hatte er die Tür erreicht und streckte die Hand nach dem Knauf aus. Panik erfasste ihn. Was hatte er eigentlich vor? War er überhaupt in der Lage, falls nötig, einen Schuss abzufeuern? Auf eine Kiefer zu zielen war eine Sache, aber einen Menschen zu erschießen war etwas vollkommen anderes. Rückwärts wankte er zurück in die Diele, angelte sein Handy aus der Tasche und wählte 112. Als sich sein Daumen der grünen Taste bis auf wenige Millimeter genähert hatte, zögerte er. Er hatte keine Zeit
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