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Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Håkan Östlundh
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begriff gar nicht, was er sagte. Verstand sie ihn absichtlich falsch? Versuchte sie ihn zu manipulieren? Und wenn ja, was beabsichtigte sie damit?
    Henrik saß mit dem Gewehr auf dem Schoß auf der Bank. Die Lampe über der Treppe warf ein scharfes Licht auf Katjas Gesicht. Er sah jede ihrer Bewegungen, während er selbst für sie nur ein Schatten war.
    Es zerrte an seinen Nerven, dass sie ihm nicht zuhörte, und es fiel ihm immer schwerer, Ruhe zu bewahren. Zumindest oberflächlich. Diese Kiefer im Wald hatte er getroffen, aber das bedeutete nicht, dass er sich mit einer Schrotflinte in den Händen wohlfühlte. Er wusste nicht einmal, ob er im Notfall in der Lage wäre abzudrücken.
    Katja lächelte ihn mit unergründlichem Ernst an und streckte die Hand nach ihm aus. Fünf lange, bleiche Finger und eine Handfläche, eine tote Krabbe.
    Warum war sie gekommen? War sie eine tickende Zeitbombe, die jeden Moment explodieren konnte? Hatte sie einen Hammer unter der Jacke? Ein Messer? Was würde er tun, wenn sie sich plötzlich auf ihn stürzte? Was, wenn sie schneller war und ihn überwältigt hatte, bevor er reagieren konnte? Und dann? Würde sie auch ins Haus eindringen, ins Obergeschoss?
    Katja bewegte die Hand. Aber sie kam nicht an ihn heran. Zwischen ihnen lagen mehr als drei Meter. Er betrachtete ihr seltsames Lächeln, die trügerisch freundlichen Augen und die rechte Wange mit dem rauen Fleck. Den hatte sie in Kopenhagen noch nicht gehabt.
    Die raue Stelle.
    Er zitterte innerlich. Nein. Er zitterte richtig. Die Hände, die das Gewehr festhielten, hüpften regelrecht. Merkte sie das? Wenn er gewusst hätte, wie man das macht, hätte er gern nachgesehen, ob sie eine Waffe bei sich trug. Aber er wollte sich ihr nicht nähern. Er hatte nicht vor, sich von der Bank wegzubewegen, auf der er saß. Jeder Versuch, etwas anderes zu tun, als hier zu sitzen, würde böse enden. Davon war er überzeugt.
    Er kochte innerlich, weil sie ihm nicht hatte gehorchen wollen und so tat, als hätte er nicht endlos auf sie eingeredet. Am liebsten hätte er sofort abgedrückt. Damit dieses innere Kochen aufhörte, das ihm verriet, wie gefährlich sie war. Dass es ein Fehler war, zu lange abzuwarten. Das Gewehr könnte ihm aus der Hand fallen, und er würde sich selbst in den Fuß schießen. Alles Mögliche konnte schieflaufen.
    Malin. Axel. Sein kleiner Axel, der leblos vor dem Herd gelegen hatte. Den er mit aller Kraft zum Leben erwecken wollte. Er hatte getan, was er konnte, aber es hatte nichts genützt.
    Katja. War sie das wirklich? Die Frau aus dem Hotel St. Petri. Sie hatten es doch schön zusammen gehabt. Warum wollte sie seine Familie umbringen? Er hatte ihr keine Versprechungen gemacht, die er nicht gehalten hatte. Sie hatten sich in einer Hotelbar kennengelernt und in einem Hotelzimmer miteinander geschlafen. Was hatte sie erwartet?
    Er schüttelte die Gedanken ab. Es hatte keinen Sinn, es verstehen zu wollen. Wenn sie tatsächlich hier gewesen war, das Haus gemietet hatte und dann … Dahinter waren weder Logik noch Vernunft zu erkennen.
    »Henrik.«
    Es gefiel ihm nicht, dass sie seinen Namen sagte.
    »Henrik.«
    Sie erhob sich von der Sitzfläche.
    »Bleib sitzen!«
    Sie stand auf.
    Er stand ebenfalls auf und hielt mit zitternden Händen das Gewehr fest.
    »Setz dich hin!«
    Sie waren von Malin, Axel und Ellen umgeben. Es war ein warmer Sommerabend in der Laube. Axel hampelte auf seinem Stuhl herum, er konnte nicht still sitzen, und das musste er auch nicht.
    Und dann war da plötzlich nur noch Katja. Ihr vertrautes Gesicht mit dem maskenhaften Lächeln füllte alles aus. Sie hatte sein Leben zerstört. Er wünschte, sie würde einen Schritt auf ihn zu machen. Noch einen einzigen Schritt, damit er sie erschießen konnte. Er wollte es wirklich. Er wollte sie auslöschen. Wollte die Geschichte ausradieren. Sie sollte nicht einfach ins Gefängnis kommen und ihre Geschichte womöglich noch einer Zeitung erzählen. Wie einen unendlichen Fortsetzungsroman. Eines Tages würde sie entlassen werden. Nach zwanzig Jahren. Sie würde weiterleben. Während sein Leben zerstört war.
    Ellen. Er hatte Ellen. Ja, er sollte sie erschießen, um Ellen zu beschützen. Damit Ellen keine Angst zu haben brauchte, dass Katja irgendwann in ferner Zukunft an ihre Tür klopfen würde.
    Noch einen Schritt.

92
     
    Das letzte Stück fuhr Sara ohne Licht im Schritttempo. Auf dem sanften Abhang hielten sie an. Sie stiegen aus und ließen die Türen offen
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