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Nora Morgenroth: Die Gabe

Nora Morgenroth: Die Gabe

Titel: Nora Morgenroth: Die Gabe
Autoren: Kerstin Michelsen
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Jessie und kicherte. Sie griff nach meinem Glas, in dem noch ein Rest Rotwein war.
    Ich winkte nach dem Kellner.
    „Willst du etwas essen? Wir sind schon fertig, aber du kannst dir gern was bestellen.“
    „Nö, aber so’n Tiramisu wäre geil, das ist hier voll lecker. Und noch was von dem Vino.“
    Ich bestellte und wandte mich dann wieder an Jessica.
    „Ich hoffe, du bekommst keine Schwierigkeiten mit deinem Chef.“
    Jessie winkte ab.
    „Ach was, der kriegt sich schon wieder ein. Ich hab mich bei dem Sack entschuldigt und dann gaaanz lieb seine Haare zu Ende gerubbelt und meine Möpse schön von hinten an ihn rangedrückt. Dann hab ich noch die Nägel gemacht und ihn fummeln lassen, wenn der Udo mal rausgegangen ist... So ein geiler alter Sack. Ich weiß ja nicht, was ihr mit dem vorhabt, aber er hat’s verdient. So viel ist mal klar. Seht mal, was der mir zugesteckt hat. Und dann hat er dem Udo noch gesagt, er soll mal nicht so streng mit seiner jungen Mitarbeiterin sein und dass er sich gern von mir bedienen lässt. Da konnte der Udo natürlich nix mehr sagen.“
    Sie versenkte die langen Fingernägel in ihre n Ausschnitt und förderte einen braunen, klein zusammen gefalteten Geldschein zutage. Sie zuckte die Schultern. „Der Typ ist echt krank, ey. Wie der geglotzt hat! Sind doch nur Titten. Egal, ich hab’s trotzdem gern genommen.“
    Franka lachte, doch mir war nicht wohl bei der Sache.
    „Du musst dich doch von solchen Typen nicht begrapschen lassen. Also wirklich, ich meine … und dein Chef bekommt davon gar nichts mit?“
    Jessie zuckte die Achseln und versenkte ihre Gabel im Dessert, das der Kellner gerade vor sie hingestellt hatte.
    „Boah, lecker.“
    Sie steckte sich eine Ladung voll in den Mund und schmatzte genießerisch, dann sah sie mich an.
    „Nee, keine Ahnung. Kann schon sein, dass er was merkt, kann auch nicht sein. Und wenn schon, du glaubst doch nicht, dass er zu so einem sagt: Nimm die Finger da von den Titten weg? Mir macht‘s nichts aus. Das sind doch arme Schweine, echt. Der sitzt da und glotzt auf meine Dinger und kriegt nen Steifen, und dann muss er nach Hause zu seiner Alten. Oder er muss fürs Bumsen bezahlen, wie bei diesen Scheiß Partys, die sie da machen. Weißte was, ich würde mich erschießen, wenn ich an seiner Stelle wäre. Nee, für mich ist das kein Thema, soll der doch glotzen und mal anfassen.“
    Sie stopfte den Schein in ihre Rocktasche und aß weiter.
    Ich versuchte, nicht so empört zu sein, wie ich mich fühlte, aber es gelang mir nur schlecht. Solche Männer waren einfach nur ekelhaft. Außerdem kehrte John van der Brelie, nach allem was ich wusste, durchaus nicht unbedingt zu seiner Alten zurück, wie Jessie das genannt hatte. Dafür hatte er ja seine speziellen Partys. Und dann war da ja noch Yasmine gewesen, vielleicht auch die junge Assistentin, die mir bei der Lesung aufgefallen war.
    Aber wenn für uns alles gut ausging, dann würde Stadtrat van der Brelie sehr bald über seine Gier stolpern. Ich konnte es kaum noch erwarten.
    Tatsächlich dauerte es beinahe zwei Wochen, bevor die Antwort auf jenen eingeschriebenen Brief eintraf, den ich gleich am nächsten Tag zur Post gebracht hatte. Ich war danach in meine Wohnung zurückgekehrt, aus dem unbestimmten Gefühl heraus, dass mir jetzt nichts mehr passieren würde. Allerdings ging ich nicht soweit, eine Begegnung mit dem nächtlichen Angreifer herauszufordern. Ich kam und ging nur bei Tageslicht und wenn ich mich mit Sybille verabredete, bat ich sie unter einem Vorwand, zuerst zu mir zu kommen. Ich wollte das Haus im Dunkeln nicht allein verlassen. Inzwischen war Bille längst wieder in ihre eigene Wohnung eingezogen und wenn es spät wurde, schlief ich bei ihr.
    Dann fand ich eines Mittags, als ich nach der Arbeit nach Hause kam, im Briefkasten den erwarteten Umschlag vor. Ich zückte umgehend das Handy und rief Franka an. Den großen Moment wollte ich unbedingt mit ihr teilen. Knapp fünfhundert Euro hatte mich der Spaß gekostet und ich hatte die Haarprobe eingeschickt. Aber es war ihre Idee und ihr Plan gewesen.
    Wir verabrede ten uns in der Stadt, weil Franka am Nachmittag noch arbeiten musste und nicht viel Zeit hatte. Also sprang ich ins Auto und fuhr wieder zurück. Als Treffpunkt hatten wir das kleine Bistro um die Ecke von unserem Buchladen ausgemacht. Als ich ankam, wartete Franka schon an einem Zweiertisch am Fenster. Sie winkte mich heran.
    „Zeig her“, rief sie ungeduldig, ehe ich
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