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Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)

Titel: Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
Autoren: Eric T. Hansen
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Dann, als ich schon aufgegeben hatte, bekam ich endlich eine Beschwerde aus ihm heraus. Es war keine besserwisserische, keine pseudo-intellektuelle oder gar brachiale Nörgelei – es war eine ganz persönliche.
    »Marilyn Monroe«, sagte ich.
    »Oh Mann«, brach es aus ihm heraus, »warum kriege ich nie eine solche Frau ab?«
    Wir waren mit der Liste fast durch. Bis jetzt hatten sich meine Meisternörgler wacker geschlagen, aber für das Ende des Experiments hatte ich mir die ganz besonderen Themen aufgespart.
    »Ihr habt schon bewiesen, dass ihr besser nörgeln könnt als die Amerikaner, als die Engländer und Franzosen, die Russen und Chinesen«, sagte ich. »Wenn ihr jetzt kapituliert, bei diesen letzten Themen, das wäre keine Schande. Ich würde es verstehen. Es geht los: ›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‹.«
    Es war Ralf, der die Herausforderung annahm.
    »Das ist total doof«, maulte er.
    »Ralf!« explodierte ich. »Das war Jesus Christus, der das gesagt hat«.
    »Das war eine andere Zeit. Es ist alles heute nicht mehr so einfach wie damals. Jesus ist von ganz intakten Menschen ausgegangen. Heute gibt’s Bipolare Störungen und ADHS und Sado-Masochismus und posttraumatischen Stress. Geh mal in eine psychiatrische Klinik, wo die Menschen depressiv und selbstmordgefährdet sind. Wer sich selbst hasst, für den ist dieser Spruch geradezu eine Einladung zum Hass anderen gegenüber. So ein Spruch ist gefährlich. Das ist fast eine Art Volksverhetzung. Sowas gehört verboten. Was, wenn ein Mörder den Spruch vor Gericht als seine Verteidigung anbringt? Ich kenne sehr viele Menschen, denen ich unter dieser Prämisse nicht unter die Augen treten möchte.«
    Ralf hatte es tatsächlich geschafft, Jesus Christus wie einen Idioten dastehen zu lassen.
    »Ein Letztes«, krächzte ich. »Gott sagt: ›Es werde Licht‹.«
    Alle fingen sofort und gleichzeitig an zu reden. Ich unterbrach sie, bevor sie einen vollständigen Satz herausbringen konnten. »Leute!«, brüllte ich mit letzter Kraft. »Wir reden hier von der Schöpfung. Egal, ob Gott oder die Evolution – es geht um die Welt an sich, um das Leben, um alles, was wir sind, was um uns herum ist. Ihr könnt doch nicht das Leben an sich kritisieren.«
    Einen Moment lang waren sie still. Dann lehnte sich Frederick vor und sagte: »Doch. Können wir.«
    Dann ging es los.
    »Ich halte Heisenberg dagegen«, sagte Tim fröhlich. »Er hat gezeigt, dass Gott tatsächlich gewürfelt hat«.
    »Komm mir nicht mit der Erschaffung der Welt«, schimpfte Andi. »Du glaubst nicht allen Ernstes, da könnten nur wir Deutschen darüber nörgeln, oder? Wenn ja, dann hast du dich geschnitten. Da kannst du jedes Insekt fragen, was es von der Erschaffung der Welt hält.«
    »Hat Gott jetzt ›Es werde Licht‹ gesagt?«, fragte Tanja. »Oder sagte er: ›Mach den Teilchenbeschleuniger an, wir starten den Urknall‹?«
    Damit waren sie noch lange nicht fertig, aber was sie danach noch zu bemängeln hatten, ist unwichtig. Der Wein war sowieso alle. Wichtig ist nur, dass sie den Beweis erbracht haben:
    Die Deutschen nörgeln nicht nur besser als alle anderen, sie können sogar über Dinge nörgeln, über die nicht mal Gott nörgeln würde.
    Und wissen Sie was? Im Raum hing – wie soll ich es sagen? – es war fast mit den Händen zu greifen – ein gewisser Stolz.

Danksagung
    Da die Nörgel-Analyse eine recht junge Wissenschaft ist, bedarf es noch einer Menge Feldforschung. Für dieses Buch habe ich mich weniger in Bibliotheken als vielmehr am Telefon aufgehalten, um das wahre Nörgelleben quer durch alle Regionen Deutschlands in zahlreichen Interviews zu protokollieren.
    Die riesige Vielfalt von Nörgelinteressierten, die mit mir reden wollten, hat mich erstaunt: Sie reichte von Sekretärinnen über Juristen bis hin zum Astronauten. Berufsmäßige Besserwisser haben ihr Wissen mit mir geteilt, darunter Wirtschaftsexperten, Wissenschaftler und Historiker. Während einige Nörgler frisch drauf los nörgelten, fühlten sich andere, die sonst kein Problem damit haben, plötzlich befangen – ihnen kam das Mäkeln auf Befehl unnatürlich vor. Für mich aber gaben sie sich einen Ruck. Einige waren stolz, namentlich zu erscheinen, andere baten darum, unter einem Pseudonym im Buch aufzutreten, denn ihre Nörgeleien könnten Folgen haben.
    Dieses Buch zu schreiben, war ein Erlebnis – nicht nur, weil es mir einen Einblick in die deutsche Seele gab, sondern auch, weil es
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