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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs
Autoren: Arto Paasilinna
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schien es, als überlegte er, wie er künftig sein Leben gestalten sollte. Er war die Freiheit nicht mehr gewohnt. Als sein behandelnder Arzt Seppo Sorjonen in die Hände klatschte, kam der Bär
    gleichsam zu sich und machte die ersten Schritte. Bald war er im Wald verschwunden und tauchte auch nicht wieder auf. An der Flussmündung hinterließen die Männer ihm fünfzig Kilo Schuppenfisch.
    Die beiden Flöße wurden mit Booten zu Ukonjärvis Stützpunkt geschleppt, der etwa zwanzig Kilometer weiter südlich lag. Der Fangplatz befand sich in der Nähe. Am Stützpunkt gab es ein kleines finnisches Dorf, bestehend aus Blockhäusern, einer Schiffswerft, Lager­ gebäuden, der Kochstelle für Walfett und anderem Not­ wendigen. Die Ankömmlinge wurden jubelnd begrüßt. Sie luden die Waren aus und verteilten die mitgeschick­ ten Briefe. Es gab Kräuterschnaps, und die Sauna wur­ de geheizt. Erstmals seit Jahren wagte es Eemeli wieder, kräftige Aufgüsse zu machen. Sein Herz schien Hitze und Feuchtigkeit gut zu vertragen. Seppo Sorjonen hingegen musste die Schwitzbank verlassen, als sein Patient mit dem Quast um sich schlug.
    Eemeli fühlte sich so gut bei Kräften, dass er sich vornahm, den Winter über am Weißen Meer zu bleiben. Es war bereits Anfang Oktober, was hatte er um diese Jahreszeit schon groß in Ukonjärvi zu tun. Nach Weih­ nachten konnte er am Walfang im Eismeer teilnehmen.
    Feldpröbstin Tuirevi Hillikainen hatte auf den Solo­ wezkischen Inseln alte Freunde und fuhr mit dem Boot hinüber. Bei ihrer Rückkehr berichtete sie von den düsteren Prophezeiungen der Mönche. Das Erscheinen des sich ständig vergrößernden Kometen am Himmel bedeutete ihrer Meinung nach den baldigen und endgül­ tigen Weltuntergang. Auf die aufgeklärte Pröbstin hatten diese Vorhersagen der einfachen Männer einen derarti­ gen Eindruck gemacht, dass sie sofort in ihrer alten Reisebibel blätterte, in der sie dann auch die Bestäti­ gung fand. Die Vorzeichen der Katastrophe waren im Alten Testament ausführlich beschrieben.
    Severi Horttanainen machte sich über diese Befürch­ tungen lustig. Seiner Meinung nach war das Gerede vom Weltuntergang Humbug. Außerdem hielt er es für Quatsch, zu glauben, dass man vor Tausenden von Jahren im alten Palästina das Auftauchen dieser Kome­ ten hatte voraussagen können. Aber gut, wenn das Ende kam, dann kam es eben, ihm, Severi, war es egal, er war schon alt und dazu Junggeselle. Er hatte seine Zeit gelebt.
    Auf dem Stützpunkt gab es kein Radio und auch sonst keine wissenschaftlichen Quellen, anhand derer man die Bedeutung des Kometen hätte überprüfen können. Eines Nachts traf Eemeli am Ufer Severi Hort­ tanainen, der dort klammheimlich Messungen anstellte und den Standort des Kometen begutachtete. Der Alte hielt einen Sextanten in der Hand, wie ihn die Fischer gebrauchen, und übte sich in der Verwendung des Gerätes, wobei seine Stirn sorgenvoll gefurcht war.
    »Ich messe bloß ein bisschen, für alle Fälle«, verteidig­ te er sich.
    In solchen Nächten war Eemeli mehr als sonst in Gedanken daheim in Ukonjärvi. Dort hatte er eine Frau, ein Heim und ein Herrenhaus, einen Sohn, der heiraten wollte – eine ganze Gemeinde, für deren Schicksal er all die Jahre Verantwortung getragen hatte.
    Die erste Phase des Winters war ungewöhnlich streng. Die Flüsse vereisten, und die Wale verschwanden aus dem Meer. Eemeli ordnete an, dass die Flotte zur Halb­ insel Kola segeln und aus der Ponoi-Niederung zwanzig Rentiere, die man vor Schlitten spannen könnte, holen sollte. Die Männer aus Ukonjärvi, die sich dort angesie­ delt hatten, sollten ebenfalls mitkommen. Eemeli selbst überwachte unterdessen die Anfertigung von Schlitten. Als die Schiffe zurückkamen, ließ Eemeli die Tiere füt­ tern und die Lachsfässer ausladen. Dann ordnete er an, die leeren Schiffe auf die Uferböschung zu ziehen, und zwar so, dass sie zehn Meter über der normalen Was­ serhöhe lagerten. Er glaubte, dass sie dort sicher waren, falls der Komet eine Sintflut verursachen sollte.
    Der Komet am Himmel wuchs ständig und sah immer bedrohlicher aus. Ende Oktober setzte starker Schnee­ fall ein, und da ließ Eemeli Toropainen das finnische Dorf am Weißen Meer räumen und alles für die Heim­ fahrt vorbereiten. Die Schlitten wurden mit Fisch und Walfett beladen und zu einem Zug verbunden, dann wurden die Rentiere vorgespannt. Nun ging es über den vereisten Fluss stromaufwärts.
    Die Fahrt durch die
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