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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs
Autoren: Arto Paasilinna
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letzte Kommunist der Welt.
    »Kommt mir bloß nicht mit einem salbadernden Pries­ ter…, aber schafft einen Notar her. Das Testament muss ins Reine geschrieben werden.«
    Der Notar wurde geholt, das Testament auf den letz­ ten Stand gebracht und gleichzeitig die Asser-Toro-painen-Kirchenstiftung gegründet. Der Sterbende krit­ zelte seinen Namen unter die Papiere. Er beauftragte den Notar, seinen Enkel aufzuspüren und ihn zu bitten, den Großvater zu besuchen. Er müsse mit ihm einen bestimmten Punkt aus dem Testament besprechen.
    Der Karfreitag brach an, ein grauer und trüber Tag. Schneeregen fiel. Durch den schwarzen Fichtenwald am Rande des Dorfes flatterten Raben. Im Radio wurde der Gottesdienst übertragen. Der Pastor fand harte Worte für den gewaltsamen Tod Jesu vor zweitausend Jahren, sodass der Eindruck entstand, die Finnen wären schuld an der besagten Gräueltat. Asser befahl den Frauen, das Radio auszuschalten. Er hatte wahrhaftig auch ohne die Kreuzigung genug Sorgen, sein Ableben machte ihm weidlich zu schaffen.
    Gegen Mittag trat sein höchst lebendiger Enkel Eemeli Toropainen in die Stube, ein kräftiger Mann von fünfundvierzig Jahren, ehemals Direktor der Nordischen Holz-Haus AG. Die mittelgroße Firma, die Blockhäuser hergestellt hatte, war infolge der Rezession ein halbes Jahr zuvor in Konkurs gegangen. Eemeli schlug seine nasse Fellmütze am Türrahmen ab, dass die Tropfen nach allen Seiten spritzten, dann trat er ans Bett, um seinen Großvater zu begrüßen.
    »Nanu, Opa! Dein letztes Stündlein hat geschlagen?« »Das behaupten jedenfalls die Weiber.« Eemeli Toropainen schüttelte dem Alten eine Weile die
    Hand, dann sank dieser wieder in seine Kissen. Darauf förderte der Enkel aus den Tiefen seines Pelzes eine Cognacflasche zutage und flößte dem Alten einen Schluck ein. Asser musste husten.
    »Danke, Junge.«
    Die Männer sahen einander gerührt an. Eemeli klopf­ te seinem Großvater die Kissen auf. Der Alte war nur noch Haut und Knochen. Früher war er ein Kerl von einem Mann gewesen, ein Draufgänger, ein tüchtiger Arbeiter und umtriebiger Geschäftsmann, viel unter­ wegs, hatte sein Leben lang ständig unter Dampf ge­ standen. Was das Alter doch aus dem Menschen mach-
    »Der Notar erzählte, dass du eine kirchliche Stiftung gegründet hast. Bist du auf einmal fromm geworden, oder was ist passiert?«, fragte Eemeli.
    Der Großvater kommandierte die Frauen hinaus, er sagte, er habe mit Eemeli etwas unter vier Augen zu besprechen. Als sich die Schwestern und die Nichte widerstrebend entfernt hatten, holte der Alte die Doku­ mente unter dem Kopfkissen hervor.
    »Lies.«
    Eemeli überflog die Papiere. Es handelte sich um die ordnungsgemäß aufgesetzte Gründungsurkunde einer Stiftung und ein Testament, in dem der Stiftung acht­ hundert Hektar Land und gut zwei Millionen Finnmark Vermögen vermacht wurden sowie Wertpapiere von etwa einer Million. Dabei wurden die nächsten Angehörigen, die beiden Schwestern und die Nichte, ebenfalls mit angemessenen Geldsummen bedacht.
    Aus der Zweckbestimmung der Stiftung ging hervor, dass diese die Aufgabe hatte, mindestens eine (1) Holz­ kirche zu erbauen und zu unterhalten.
    Eemeli Toropainen, der ehemalige Direktor der Nordi­ schen Holz-Haus AG, ahnte, dass sein Großvater ihn mit der praktischen Umsetzung der Stiftungsziele beauftra­ gen wollte. Er betrachtete den künftigen Toten mit mit­ fühlenden Blicken. Da lag ein alter Kirchenbrandstifter, ein leidenschaftlicher und aktiver Kommunist, der meh­ rere Erdteile bereist hatte. Jetzt waren seine Kräfte verbraucht. Das Leben des Menschen war kurz, es dauerte höchstens kümmerliche hundert Jahre. Diese Vergänglichkeit bewies sich nun am Beispiel Asser Toropainens.
    »So, du willst also eine Kirche bauen lassen. Meinet­ wegen, dann ziehen wir sie halt hoch.«
    Asser Toropainen holte unter seinen Kissen einen schweren Bildband hervor. Seine Hände zitterten, das Buch wäre ihm beinah entglitten. Eemeli nahm es ent­ gegen, es war von Esa Santakari, hieß Die Volksbauleute und ihre Holzkirchen und stellte in Wort und Bild alte bäuerliche Holzkirchen vor. Harmonische, schlichte Bauwerke, graue Balkenwände, ruhige Schindeldächer, auf den Eingangsstufen rührende Opferstöcke mit Schlitzen für den Münzeinwurf.
    Eemeli Toropainen blätterte staunend in dem Buch. Die Kirche von Kiiminki sah zum Beispiel recht ansehn­ lich aus. Die von Yläne hingegen, erbaut von Mikael Piimänen,
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