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Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs
Autoren: Arto Paasilinna
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tief genug hineinging. Äußerlich war der Bär behaarter und irgendwie animalischer, aber bei einer Operation an den inneren Organen waren die Unterschiede gering.
    Eemeli erholte sich von der Operation schneller als der Bär, was möglicherweise daher kam, dass er sich über den Zweck der Operation im Klaren war und eine positive Einstellung dazu hatte. Wie auch immer, zwei Wochen später zog Seppo Sorjonen sowohl bei Eemeli als auch beim Bären die Fäden. Bei Letzterem war das nicht ungefährlich, denn der Patient versuchte, seinen Chirurgen zu beißen. Der Holzknebel, den Horttanainen ihm ins Maul gesteckt hatte, verhinderte jedoch das Unglück.
    Die Patienten waren jetzt in der Verfassung, dass sie die lange Fahrt ans Weiße Meer antreten konnten. So wurde der Bär wieder mit vereinten Kräften auf den Wagen gehievt, den zwei Ochsen ziehen sollten. Ein zweiter Wagen wurde mit Fassstäben, Fischereibedarf, Teer, Schnaps und anderen notwendigen Dingen bela­ den. Neben Eemeli Toropainen, Seppo Sorjonen, Taneli Heikura, Tuirevi Hillikainen und einigen Partisanen nahm diesmal auch Severi Horttanainen an der Expedi­ tion teil, denn seine düsteren Erinnerungen an Russ-land waren im Laufe der Zeit verblasst.
    Beim vorigen Mal hatte man eine Wasserstoffbombe transportieren müssen, jetzt aber herrschte Frieden, und außerdem nahmen zwei Herzpatienten an der Ex­ pedition teil, also wählte man eine leichtere Strecke. Zunächst ging es nach Sotkamo und von dort an die Grenze nach Kuhmo. Die Bewohner von Ukonjärvi hat-ten weiterhin das Recht, die Landesgrenze zu über­ schreiten, ein Verdienst ihres Feldpostens am Murtovaa­ ra. Die Grenzstation Kuhmo war im Krieg abgebrannt. Der Schlagbaum war offen, auf der Straße wuchs Moos, und die Schienen der Erzbahn von Kostamus waren mit dickem Rost überzogen. Aus der Sauna, dem einzigen Gebäude, das nach dem Brand von der Grenzstation übrig geblieben war, trat ein Feldwebel in abgenutzter Uniform. Er freute sich, dass nach Jahren wieder einmal Grenzgänger kamen, denn er war der einzige offizielle Vertreter Europas in diesem abgeschiedenen Winkel. »Nur zu, von mir aus können Sie gern nach Russland einreisen«, sagte er großzügig. Er warf einen flüchtigen Blick auf die Ladung, schrieb sogar ein Zollformular aus, das er auch mit einem Stempel versehen hätte, wenn ein solcher in seiner Sauna vorhanden gewesen wäre. Als er den finster dreinblickenden Bären auf dem zweiten Wagen sah, kam er jedoch ins Grübeln, was die Zollgesetze wohl dazu sagten. Die Direktiven der Euro­ päischen Union sahen keinen solchen Fall vor. Bei toten Tieren war der Grenzübertritt unproblematisch, sie waren letztlich nur Fleisch, aber dieser Bär lebte. Die Ochsen lebten ebenfalls, doch sie wurden als Zugtiere beziehungsweise Haustiere über die Grenze geführt. Aber ein Bär? Er war kein Zugtier, kein Haustier, kein Schoßtier. Der Feldwebel betrachtete den Petz zweifelnd. Der wusste nicht, was gut für ihn war, und brummte drohend.
    »Am besten, wir erschießen ihn hier, dann sind die Bestimmungen erfüllt«, schlug der Feldwebel vor. Eemeli Toropainen wollte jedoch nicht wegen bürokratischer Regeln seinen Mitpatienten töten. Schließlich wurde das Problem dadurch gelöst, dass der Bär in das Zollformu­ lar als darstellender Künstler, als Zirkusbär, eingetragen wurde.
    Die Expedition bezahlte einen halben Liter Kräuter­ schnaps als Zoll für das Tier. Der Feldwebel sagte, dass er den Schnaps sehr gern persönlich austrinken werde. Er habe den ganzen Sommer lang kein Gehalt von der EU bekommen.
    Die Expeditionsteilnehmer wollten ihren Weg mit den Ochsenwagen fortsetzen, aber nachdem der Feldwebel einige Schlucke von der flüssigen Zollgebühr genommen hatte, machte er ihnen einen besseren Vorschlag. Auf den Weichen der Kostamus-Bahn standen ein paar verrostete Güterwagen und Achsengestelle, Überbleibsel des einst so wichtigen Erztransportweges. Der Feldwebel riet den Männern, die Ochsenwagen auf diese Achsenge­ stelle zu heben, dann könnten sie die Schienen benut­ zen, und die Fahrt zum Weißen Meer wäre wesentlich leichter.
    Der Feldwebel wusste zwar nicht, welchem Staat die Achsengestelle gehörten, wollte sie aber umsonst zur Verfügung stellen, wenn er noch einen oder zwei Liter Schnaps bekäme. Außerdem würde er auch beim Um­ setzen der Ochsenwagen helfen.
    Am nächsten Morgen waren die Wagen zur Weiter­ fahrt bereit. Jetzt genügte ein Ochse als Zugtier, die
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