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Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs
Autoren: Arto Paasilinna
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halbkreisförmige Komet fest an seinem Platz mitten am Himmel, er leuchtete seltsam klar, nur der Mond konnte es mit ihm aufnehmen.
    Die Flöße passierten das ehemals so lebhafte Weißmeer-Kemi, das am Nordufer des Flusses erbaut worden war. Die Stadt war zehn Kilometer lang und fast gänzlich verwaist. Nur hier und da schimmerte ein Licht, doch bei näherem Hinsehen zeigte sich, dass selbst diese wenigen Lebenszeichen nur von Lagerfeuern stammten.
    Der Strom floss nun langsamer, die Wälder am Ufer entzogen sich den Blicken, die Reisenden erreichten das Weiße Meer. Das war spätestens an den Wellen zu merken, die gegen Uferfelsen und Klippen schlugen. Die Reisenden warfen die steinernen Anker und schickten sich an, auf den Morgen zu warten. Mit Sonnenaufgang verblasste das Licht des Kometen, doch wenn man genau hinschaute, war er noch zu erkennen. Dabei schien er eine andere Stellung als in der Nacht zu haben.
    Die Flöße schaukelten auf dem Meer. Fern am Ufer war schwarzer Rauch von Lagerfeuern zu erkennen, und ein paar Schüsse hallten. Bald näherten sich Ruderer in schnellen Fischerbooten. Es waren gute alte Bekannte aus Ukonjärvi. Die Flöße wurden ans Ufer geschleppt, der Bär losgebunden, und dann gab es erst mal einen Begrüßungstrunk.

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    Eemeli Toropainens grimmiger Mitpatient war ziemlich steif, als er endlich die Lederriemen los war, mit denen man ihn fast einen Monat lang gefesselt hatte. Er stand am Ufer, sah sich um, und fast schien es, als überlegte er, wie er künftig sein Leben gestalten sollte. Er war die Freiheit nicht mehr gewohnt. Als sein behandelnder Arzt Seppo Sorjonen in die Hände klatschte, kam der Bär gleichsam zu sich und machte die ersten Schritte. Bald war er im Wald verschwunden und tauchte auch nicht wieder auf. An der Flussmündung hinterließen die Männer ihm fünfzig Kilo Schuppenfisch.
    Die beiden Flöße wurden mit Booten zu Ukonjärvis Stützpunkt geschleppt, der etwa zwanzig Kilometer weiter südlich lag. Der Fangplatz befand sich in der Nähe. Am Stützpunkt gab es ein kleines finnisches Dorf, bestehend aus Blockhäusern, einer Schiffswerft, Lagergebäuden, der Kochstelle für Walfett und anderem Notwendigen. Die Ankömmlinge wurden jubelnd begrüßt. Sie luden die Waren aus und verteilten die mitgeschickten Briefe. Es gab Kräuterschnaps, und die Sauna wurde geheizt. Erstmals seit Jahren wagte es Eemeli wieder, kräftige Aufgüsse zu machen. Sein Herz schien Hitze und Feuchtigkeit gut zu vertragen. Seppo Sorjonen hingegen musste die Schwitzbank verlassen, als sein Patient mit dem Quast um sich schlug.
    Eemeli fühlte sich so gut bei Kräften, dass er sich vornahm, den Winter über am Weißen Meer zu bleiben. Es war bereits Anfang Oktober, was hatte er um diese Jahreszeit schon groß in Ukonjärvi zu tun. Nach Weihnachten konnte er am Walfang im Eismeer teilnehmen.
    Feldpröbstin Tuirevi Hillikainen hatte auf den Solowezkischen Inseln alte Freunde und fuhr mit dem Boot hinüber. Bei ihrer Rückkehr berichtete sie von den düsteren Prophezeiungen der Mönche. Das Erscheinen des sich ständig vergrößernden Kometen am Himmel bedeutete ihrer Meinung nach den baldigen und endgültigen Weltuntergang. Auf die aufgeklärte Pröbstin hatten diese Vorhersagen der einfachen Männer einen derartigen Eindruck gemacht, dass sie sofort in ihrer alten Reisebibel blätterte, in der sie dann auch die Bestätigung fand. Die Vorzeichen der Katastrophe waren im Alten Testament ausführlich beschrieben.
    Severi Horttanainen machte sich über diese Befürchtungen lustig. Seiner Meinung nach war das Gerede vom Weltuntergang Humbug. Außerdem hielt er es für Quatsch, zu glauben, dass man vor Tausenden von Jahren im alten Palästina das Auftauchen dieser Kometen hatte voraussagen können. Aber gut, wenn das Ende kam, dann kam es eben, ihm, Severi, war es egal, er war schon alt und dazu Junggeselle. Er hatte seine Zeit gelebt.
    Auf dem Stützpunkt gab es kein Radio und auch sonst keine wissenschaftlichen Quellen, anhand derer man die Bedeutung des Kometen hätte überprüfen können. Eines Nachts traf Eemeli am Ufer Severi Horttanainen, der dort klammheimlich Messungen anstellte und den Standort des Kometen begutachtete. Der Alte hielt einen Sextanten in der Hand, wie ihn die Fischer gebrauchen, und übte sich in der Verwendung des Gerätes, wobei seine Stirn sorgenvoll gefurcht war.
    »Ich messe bloß ein bisschen, für alle Fälle«, verteidigte er sich.
    In solchen Nächten war Eemeli
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