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Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs
Autoren: Arto Paasilinna
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vorläufig noch darin. Tuirevi Hillikainen konnte mit dem Blasen aufhören. Mit feuerrotem Gesicht wankte sie von der Kanzel.
    Seppo Sorjonen prüfte den Blutdruck des Bären, der sich langsam normalisierte. Er beobachtete den Puls und die Atmung, und am Nachmittag konnte er feststellen, dass die Operation allem Anschein nach geglückt war. Mit vereinten Kräften schob das Operationspersonal den Karren aus der Kirche und weiter in die Scheune, wo am Dachbalken ein Tropf installiert wurde. Der Bär selbst blieb für alle Fälle noch gefesselt. Für die Nachtstunden organisierte Seppo Sorjonen eine Bewachung für den Fall, dass sich der Zustand des Patienten veränderte.
    Am folgenden Morgen war der Bär aus der Narkose erwacht. Er war äußerst schlecht gelaunt. Seppo Sorjonen wunderte sich kein bisschen darüber, denn nach solchen Eingriffen litten die Patienten oft an schweren Depressionen, und der Grund dafür war Sauerstoffmangel im Gehirn während der Operation. Aus der Depression würde jedoch tierische Freude werden, würde der Bär erst seine gestiegene Leistungsfähigkeit und verbesserte Lebensqualität wahrnehmen.
    Seppo Sorjonen ordnete Beeren- und Pflanzennahrung an, denn nach einer Herzoperation soll der Patient Cholesterol meiden. Nach etwa zwei Wochen könnten die Fäden gezogen, der Bär aber noch nicht in den Wald entlassen werden, denn auch nach einer geglückten Operation ist körperliche Arbeit für vier Wochen verboten.

40
    Eemeli und Taina Toropainen kehrten ziemlich niedergeschlagen von ihrer vergeblichen Helsinki-Tour zurück. Die Fahrt war anstrengend gewesen und hatte nichts gebracht. In Ukonjärvi herrschte die übliche Geschäftigkeit, die Leute waren bei den Herbstarbeiten auf dem Feld oder fischten mit dem Zuggarn im See. Die Hunde begrüßten die Ankömmlinge mit Gebell, und als Taina und Eemeli auf dem Weg zum Haus an der Scheune vorbeikamen, hörten sie von drinnen das Gebrüll eines Bären.
    Vor der Scheune saßen mehrere Männer beisammen und beratschlagten, ob der Bär geschlachtet werden sollte oder nicht. Sie berichteten Eemeli, dass Seppo Sorjonen in seiner Abwesenheit eine in jeder Weise gelungene Bypassoperation bei einem Bären, der im Dorf aufgetaucht war, vorgenommen hatte. John Matto und etliche andere waren dafür, den Bären zu töten, aber Sorjonen wollte gern den Heilungsprozess noch ein paar Wochen beobachten. Außerdem fand er, dass es Verschwendung wäre, einen Patienten zu töten, den man mit so viel Aufwand von seinen Beschwerden geheilt hatte.
    Seppo Sorjonen besann sich auf Eemelis Operation und fragte, wie diese in Helsinki verlaufen sei. Der Patient sei offenbar zeitig entlassen worden und sehe im Übrigen nicht besser aus als bei seiner Abfahrt. Eemeli sagte lakonisch, dass die Stadt völlig verkommen sei und dass es nicht lohne, dort zum Arzt zu gehen.
    Sorjonen erklärte sich sofort bereit, Eemeli zu operieren. Der Bär sei ein lebendes Beispiel für seine Kunst.
    Eemeli ging in die Scheune, um sich den Patienten anzusehen. Dieser lag auf Stroh und war mit Riemen an den Wandbalken festgebunden. Zu fressen bekam er hauptsächlich Pilze und Beeren, von denen die Wälder zu dieser Jahreszeit voll waren. Gerade hatte er ein paar Kilo Aalraupen vor sich liegen, die ihm anscheinend schmeckten. Sorjonen erklärte, dass man ihm noch kein Fleisch gebe, da er Cholesterol meiden müsse. Der Bär schien in guter Verfassung zu sein. Er brummte, wie es für seine Art typisch war, schien aber nicht sehr unter seiner Gefangenschaft zu leiden. Wenn der Bär Sorjonens Operation überlebt hatte, dann würde er selbst sie vielleicht auch durchstehen, dachte Eemeli bei sich.
    Zunächst wurde gemeinsam über das Schicksal des Bären entschieden. Er sollte am Leben bleiben, aber nicht in der Nähe von Ukonjärvi ausgesetzt werden. Auch John Matto war schließlich mit dem Vorschlag einverstanden: Man würde ihn auf irgendeine Weise nach Russland schaffen, wo er vermutlich sogar herstammte.
    Eemeli entwickelte den Plan, ihn zum Weißen Meer zu bringen. Ukonjärvis dortiger Fischereistützpunkt müsste ohnehin im Herbst mit Nachschub, also mit Seilen, Material zum Netzflicken und mit Schnaps und Tee für die Fischer, beliefert werden. Bei der Gelegenheit könnte man den Bären mitnehmen. So könnte sich der Petz in den heimischen Wäldern von der Operation erholen und sich vor Einbruch des Winters dick und rund fressen.
    Taina gesellte sich zu den Männern und bestürmte Seppo
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