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Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs
Autoren: Arto Paasilinna
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gestanden. Was das Alter doch aus dem Menschen machte!
    »Der Notar erzählte, dass du eine kirchliche Stiftung gegründet hast. Bist du auf einmal fromm geworden, oder was ist passiert?«, fragte Eemeli.
    Der Großvater kommandierte die Frauen hinaus, er sagte, er habe mit Eemeli etwas unter vier Augen zu besprechen. Als sich die Schwestern und die Nichte widerstrebend entfernt hatten, holte der Alte die Dokumente unter dem Kopfkissen hervor.
    »Lies.«
    Eemeli überflog die Papiere. Es handelte sich um die ordnungsgemäß aufgesetzte Gründungsurkunde einer Stiftung und ein Testament, in dem der Stiftung achthundert Hektar Land und gut zwei Millionen Finnmark Vermögen vermacht wurden sowie Wertpapiere von etwa einer Million. Dabei wurden die nächsten Angehörigen, die beiden Schwestern und die Nichte, ebenfalls mit angemessenen Geldsummen bedacht.
    Aus der Zweckbestimmung der Stiftung ging hervor, dass diese die Aufgabe hatte, mindestens eine (1) Holzkirche zu erbauen und zu unterhalten.
    Eemeli Toropainen, der ehemalige Direktor der Nordischen Holz-Haus AG, ahnte, dass sein Großvater ihn mit der praktischen Umsetzung der Stiftungsziele beauftragen wollte. Er betrachtete den künftigen Toten mit mitfühlenden Blicken. Da lag ein alter Kirchenbrandstifter, ein leidenschaftlicher und aktiver Kommunist, der mehrere Erdteile bereist hatte. Jetzt waren seine Kräfte verbraucht. Das Leben des Menschen war kurz, es dauerte höchstens kümmerliche hundert Jahre. Diese Vergänglichkeit bewies sich nun am Beispiel Asser Toropainens.
    »So, du willst also eine Kirche bauen lassen. Meinetwegen, dann ziehen wir sie halt hoch.«
    Asser Toropainen holte unter seinen Kissen einen schweren Bildband hervor. Seine Hände zitterten, das Buch wäre ihm beinah entglitten. Eemeli nahm es entgegen, es war von Esa Santakari, hieß Die Volksbauleute und ihre Holzkirchen und stellte in Wort und Bild alte bäuerliche Holzkirchen vor. Harmonische, schlichte Bauwerke, graue Balkenwände, ruhige Schindeldächer, auf den Eingangsstufen rührende Opferstöcke mit Schlitzen für den Münzeinwurf.
    Eemeli Toropainen blätterte staunend in dem Buch. Die Kirche von Kiiminki sah zum Beispiel recht ansehnlich aus. Die von Yläne hingegen, erbaut von Mikael Piimänen, wirkte irgendwie schroff, es mochte an der Form des Dachfirstes liegen. Die Deckenmalereien in der Kirche von Keuruu veranlassten Eemeli zu der Überlegung, ob er rändern lernen sollte.
    Eemeli klappte das Buch zu. Die angebotene Aufgabe reizte ihn, gar keine Frage. Aber was steckte dahinter? War der Alte senil, der frühere Kirchenfeind fromm geworden? Asser hatte in jungen Jahren und zu Revolutionszeiten tatsächlich zahlreiche Kirchen in Brand gesteckt, in verschiedenen Teilen des Landes und der Welt. Er hatte sich an Gott für den Hunger und die Not der armen Leute rächen wollen. Und jetzt, kurz vor dem Tod, gründete er eine Stiftung für den Bau einer Kirche?
    »Darf ich mir die Frage erlauben, ob du verrückt geworden bist?«
    Der Großvater wurde ein wenig verlegen. Noch nie hatte jemand an seinem Verstand gezweifelt. Er erklärte mit dünner Stimme, dass er mit Gott reinen Tisch machen wolle, da er zufällig einiges an Geld habe beiseite legen können. Er glaube zwar nicht an Gott und auch nicht an Jesus Christus, aber irgendwie scheine es ihm angemessen, eine Kirche errichten zu lassen. Aus reinem Jux habe er sich die Sache ausgedacht.
    »Sozusagen zur Erinnerung. Und du als Fachmann für Holz und Balken kriegst zur Abwechslung mal wieder Arbeit.«
    Asser führte weiter aus, dass seines Wissens für ein derartiges Bauvorhaben keine allgemeine oder offizielle Begründung notwendig sei. Die Menschen bauten Kuhställe, Schulen, Fabriken, warum dann nicht auch Kirchen? Aus der Sicht eines Sterbenden war es egal, was gebaut wurde. Wenn er im Dorf eine Furnierholzfabrik errichten ließe, würde sie vermutlich bald nach seinem Tod Pleite machen. Was hatte das für einen Zweck? »Eine Kirche macht nicht Pleite.«
    »Aber wenn jemand kommt und deine Kirche in Brand steckt?«
    »Dann kannst du nichts machen. Du kassierst die Versicherungssumme und baust eine neue.«
    Eemeli Toropainen kam auf die Einzelheiten zu sprechen. Er wollte wissen, welche Art von Kirche sich der Großvater vorstellte. Wo sollte sie gebaut werden, für welche Gemeinde war sie gedacht, und wer sollte als Pastor eingestellt werden?
    Der Großvater verwies auf die Gründungsurkunde der Stiftung. Dort stand kurz und
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