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Nördlich des Weltuntergangs

Nördlich des Weltuntergangs

Titel: Nördlich des Weltuntergangs
Autoren: Arto Paasilinna
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knapp, dass der Leiter der Stiftung, also Eemeli Toropainen, den Standort der Kirche nach eigenem Gutdünken auswählen konnte. Eemeli konnte den Tempel notfalls auf Tahiti errichten, wenn er Lust dazu hatte. Eine Kirchgemeinde zu gründen war nicht unbedingt erforderlich. Was den Pastor anging, war überhaupt nichts erwähnt. Der bloße Kirchenbau genügte.
    »Such dir aus diesem Buch ein geeignetes Modell aus. Die modernen Kästen gefallen mir nicht, sie sehen nicht nach Kirchen aus.«
    In dem Moment kamen die Frauen herein, um Asser Milchsuppe zu bringen. Sein Magen war so schwach, dass an kräftigeres Essen nicht zu denken war. Eemeli setzte sich an den Tisch und vertiefte sich in den Bildband. Unter andächtigem Schweigen bekam der Alte seine Suppe eingeflößt. Hinter dem Ofen saß die Hausmaus mit runden Ohren und blauem Fell und beobachtete den Vorgang. Sie beabsichtigte, in Assers Pelzdecke zu schlüpfen, wenn der Alte erst tot wäre. Mäuse haben eine feine Witterung für den Tod.
    Die Frauen wischten dem Alten den Mund ab, dann gingen sie, damit er sich ausruhen konnte. Eemeli blätterte interessiert, gelegentlich auch aufgeregt in dem Buch. Wenn er etwas Interessantes entdeckte, rief er zum Bett hinüber, dass er vielleicht die Kirche von Keuruu als Vorbild nehmen könnte. Und wie dachte der Großvater über die Kirche von Petäjävesi? Oder über die von Pietarsaari, Houtskari und Paltamo? Aus dem Bett ertönte zustimmendes Knurren. Alle waren geeignet.
    Nach einer guten Stunde hatte Eemeli Toropainen das Buch von Anfang bis Ende durchgeblättert und war zu dem Ergebnis gekommen, die Kirche von Kuortane als Modell zu wählen.
    Ein gewisser Antti Hakola hatte den Bau im Jahre 1777 errichtet. Aus der Bildunterschrift ging hervor, dass dieses das ehrgeizigste Werk des berühmten Mannes war. Der Saal hatte tausendzweihundert Sitzplätze, also nicht gerade wenig. Von der Anlage her handelte es sich um die erste an den Wänden voll abgekantete Kreuzkirche, sodass ihr Grundriss sage und schreibe vierundzwanzig Ecken oder Winkel enthielt.
    »Hols der Teufel, das ist mal eine schmucke Kirche!«
    Begeistert trat Eemeli ans Bett seines Großvaters, um ihm die Entdeckung vorzustellen. So schön sollte auch sein Bau werden. Falls dem Großvater noch ein paar Lebenstage blieben, könnten sie gemeinsam hinfahren und an Ort und Stelle Maß nehmen. Vielleicht gleich am nächsten Morgen? Eemeli legte dem Alten die aufgeschlagene Seite vor, damit er seine endgültige Wahl treffen konnte.
    Da blieb die alte Standuhr stehen. Die schlaffe Hand des Großvaters sank herab und glitt über den Bettrand. Sein Blick richtete sich in die Ferne, die Augen trübten sich. Asser Toropainen war tot.

2
    Asser Toropainen wurde eine Woche später auf dem Friedhof von Sotkamo beigesetzt. Es fiel Schneeregen. Ein melancholischer Gaul zog den Sarg zum Friedhof, mit gesenktem Kopf und in sich gekehrt trottete das Tier dahin.
    Eemeli Toropainen hatte entschieden, dass der Tote nicht mit einem Leichenauto zum Friedhof gefahren werden sollte, Asser war schließlich ein Mann vom alten Schlag gewesen. Eemeli hatte sich das Pferd geliehen, es war gewaschen und gestriegelt, die Deichsel schwarz geteert und der Klöppel der Schlittenglocke zum Zeichen der Trauer mit Moos umwickelt worden.
    Der Sarg war aus finnischer Kiefer mit hohem Kernholzprozent gefertigt. Darin befand sich ein zweiter Sarg, ein luftdichtes Gehäuse aus verzinktem Stahlblech, das für den langen Schlaf des Toten eingerichtet war. Der Leichnam war einbalsamiert worden, denn Assers letzte Ruhestätte würde nicht der Friedhof von Sotkamo sein, sondern sein eigener, wenn der erst einmal fertig war. Da der Alte beschlossen hatte, dass nach seinem Tod eine Kirche gebaut werden sollte, folgte daraus automatisch, dass auch ein Friedhof angelegt wurde. Der Gedanke, dass Asser später in seine eigene Erde umgebettet würde, war natürlich. Das bedingte, dass der Tote für die neue Beerdigung in leidlichem Zustand sein musste, und für diesen Zweck war der Zinksarg am besten geeignet.
    Eemeli Toropainen hatte ihn in der Sargfabrik von Punkalaidun, die als Großhandelsunternehmen die Beerdigungsinstitute belieferte, bestellen lassen. Von dort war außer dem Zinksarg auch der äußere Kiefernholzsarg geliefert worden, dazu eine Transportkiste, in der beide verpackt waren. Dem Verstorbenen waren somit drei Kisten zugedacht, von denen zwei ins Grab gesenkt wurden, die dritte, die
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