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Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

Titel: Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
Autoren: Juergen von der Lippe
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die Frage: »Muss ich einen Mantel anziehen?«, antworten: »Kommt drauf an, wie leicht du frierst.« Woraufhin der Fragende natürlich, um nicht als Weichei dazustehen, ohne Mantel geht und abends zwischen zwei Niesanfällen klagt: »Hättest mir ruhig sagen können, dass ich einen brauche.«
    Das Wetter beeinflusst uns rund um die Uhr, es gliedert auch unser Jahr: Der Frühling liefert uns die gleichnamigen Gefühle sowie allerlei Augenweiden beim sprießenden Grünzeug, und Frühlingslyrik wie: Frühling lässt sein blaues Band, wohingegen einzig der Herbst Gedichte zeitigt wie: »Herr, es ist Zeit, der Sommer war sehr groß, leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren und auf den Fluren lass die Winde los.« Der Winter ließ Schubert die »Winterreise« schaffen und der Sommer Mungo Jerry »In the Summertime«.
    Der April ist neben dem Freibrief für lästige Streiche am Monatsbeginn vor allem für Wetterflexibilität berühmt.
    Die Sonne lacht, als kriegte sie’s bezahlt, es beginnt ansatzlos zu schiffen, man rettet sich in ein Kaufhaus, kauft einen Schirm, tritt vor die Tür, öffnet ihn, um festzustellen, dass man der einzige Idiot im Stadtbild mit einem aufgespannten Schirm ist. Überhaupt die Sonne, ein äußerst ambivalenter Himmelskörper. Wohldosiert, bräunt sie unseren Leib sanft, appetitlich, was den Mitmenschen Gesundheit signalisiert, wohl auch einen gewissen Wohlstand, der es uns gestattet, uns Zeit zu nehmen für regelmäßige Sonnenbäder. Im Übermaß genossen beschert sie uns Sonnenbrand, später maligne Melanome. Der Regen, der Melancholiker unter den Wetterdeterminanten, inspirierte nicht nur unzählige Songschreiber zu Evergreens wie »Crying in the rain«, »Raindrops keep falling on my head« oder »Regentropfen, die an mein Fenster klopfen« oder »Singing in the rain«, wobei ich mich als Kind immer neidisch gefragt habe, wieso Gene Kellys Mutter ihn bei diesem Sauwetter draußen tanzen lässt. Er lässt auch die Flora sprießen und füllt unsere Zisternen, auf dass der Mensch Bier und andere Erfrischungsgetränke herstelle. Aber seit Beginn der industriellen Revolution ist er sauer geworden, der Regen, sein ph-Wert ist inakzeptabel gestiegen und die Wälder sterben, sagen alle, bis auf die, die viel Kontakt mit Bäumen haben, aber das sind ja die wenigsten. Das Wetter betätigt sich als Manipulator, Dompteur, es lässt den Frosch im Glas wahlweise die Leiter hoch- oder runterklettern, Mann oder Frau im Wetterhäuschen erscheinen oder den Opa noch mal dem Granatsplitter im Knie nachspüren.
    Das Wetter treibt die Werbeindustrie zu Spitzenleistungen, man denke an Dreiwettertaft, den tanzenden Regenschirm, es hat den vielleicht unseriösesten Beruf überhaupt neben dem des Politikers, Anwalts und Journalisten hervorgebracht, den Wettervorhersager, der sich einen komplizierten Soziolekt zugelegt hat, in dem Schneetreiben z. B. nicht das bedeutet, was wir meinen, also heftigen Schneefall, sondern Schnee, der ruhig daliegt, dann aber vom Wind hochgewirbelt wird und so die Suche nach Weib und Kind in der Arktis erschwert, dessen Voraussagen – zugegeben – stimmen mögen, wenn man mit 40 Fieber das Bett hütet, aber niemals, wenn man grillen oder irgendein anderes Outdoor-Projekt betreiben will. Und davon gibt es ja die absonderlichsten, z. B. im Januar Cabrio fahren, bis der Zinken röter ist als das Rücklicht, oder so lange in Eislöchern baden, bis sich die Testikeln komplett ins Körperinnere zurückgezogen haben. Aber im Normalfall kann uns das Wetter schwer auf den Sack gehen. Eis und Schnee können Flug- und Bahnverkehr zum Erliegen bringen, für den Autoverkehr in Köln reicht schon Regen. Man glaubt es nicht, aber ich habe es oft erlebt.
    Deshalb hat der Mensch schon immer versucht, dem Wetter ins Handwerk zu pfuschen, man denke an die Regenmacher. Eislaufen oder Eishockey spielen kann man ganzjährig. Wer sich beim Skilaufen einen dreifachen Trümmerbruch zuziehen oder von einem Anfänger über den Haufen gefahren werden möchte, musste früher auf den Winter warten, heute hält jede größere Stadt Kunstschneeanlagen bereit, aber was will man von Lebewesen erwarten, die sich Weihnachten unter Plastiktannenbäumen bescheren oder im Klo künstlichen Fichtennadelduft versprühen.
    Da fällt mir glatt noch eine TV-Show ein: »Wetter dass ...« Man pickt an jedem Tag des Jahres Menschen heraus, fotografiert sie, registriert, was sie tragen, notiert die Wetterbedingungen, Temperatur, zieht
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