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Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

Titel: Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
Autoren: Juergen von der Lippe
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lange nicht kaputt, wie wir das aushalten. Kyrill hat uns auf eine harte Probe gestellt. Sie erinnern sich sicher an den Sturm, der 25 Millionen Bäume knickte. Ich würde allerdings gerne mal wissen, wer ihm diesen selten dämlichen Namen gegeben hat. Kyrill ist ein griechischer Vorname und bedeutet: der Herrliche. Wenn das die sauerländer Waldbauern wüssten, könnte Kachelmann seine dortigen Wetterstationen sicher einpacken. Jedenfalls fiel ich bei Kyrill in einen Schock-Schlaf, wie ein Insekt in der Wüste, und erwachte durch den Motorlärm der Sägen, die alle Bäume in meiner Straße zu Mulch machten. Das ist doch nicht normal! Mein Vorschlag, gegen derartige Unwetter mit einer Lichterkette rund um die Bochumer Innenstadt zu protestieren, fand bei den Vereinsmitgliedern meines Sportclubs leider keine Zustimmung. Auf dem kurzen Weg vom Bezahlhäuschen auf der Tankstelle zum Auto, vielleicht 20 Meter, bin ich neulich nicht nur klatschnass, sondern regelrecht verhauen worden. Der Regen prasselte stärker als die härteste Wasserstrahleinstellung meiner Brause. Da hab ich die Nerven verloren und das Wetter lauthals angeschrien: Wenn das morgen wieder so frisch ist mitten im Hochsommer, dann mach ich euch fertig, ihr Kälteschauer, ihr widrigen Winde und Graupelungeheuer, auch wenn ich ganz allein dastehe. Dann zieh’ ich mir eben was Dickes an. So.
    An die ungewohnte Abfolge, in der uns die vier Jahreszeiten besuchen, haben wir uns ja schon gewöhnt, aber dass der Cocktail aus Frühling, Sommer, Herbst und Winter jetzt täglich neu gemischt wird, ist kaum auszuhalten. Mein Schrank platzt schon aus allen Nähten, weil Winterpullover und Sonnentops gleichzeitig griffbereit sein müssen. Dazu kommt die solide Regenkleidung. Das ganze Zeug muss man jetzt auch noch mit in den Urlaub schleppen. Für das Übergepäck hab ich zum ersten Mal mehr bezahlt als für den Flug. Badeurlaub in Südeuropa kann man bald ganz vergessen. Ein bisschen braun werden ist ja ganz schön, aber auf die Bräune, die ein Waldbrand erzeugt, kann ich gerne verzichten.
    Es gibt auch beim Wetter Gewinner und Verlierer. Zufällig gehört Bochum klimatisch zu den Gewinnern. Heute haben wir hier oft Temperaturen wie in der Karibik. Noch nie habe ich die heimische Flora so berauschend blütenüppig erlebt wie im vorletzten Frümmer, also der neuen Mischung aus Frühling und Sommer. Bereits Anfang Juni brachen die ersten Obstbaumäste unter der Last ihrer Früchte zusammen und im Juli waren die Haselnüsse schon fertig. Mein Hibiskus hat ununterbrochen wunderschön geblüht. Ich muss zugeben, dass mir ein paar Grad mehr auf dem Thermometer ausgesprochen gut gefallen. Wenn das anhält, ist bald mit Flamingos im Stadtparkteich zu rechnen. Noch vor 30 Jahren wären sie eine Weltattraktion gewesen mit ihrer Kohlenstaubschicht auf den rosa Flügeln. Vielleicht rückt bald die Nordseeküste sogar bis Münster vor. Dann wäre es nur noch ein Katzensprung zum Meer und wir könnten eventuell vom Tourismus leben. Bed&Breakfast kriegen wir in unserer 3 1/2-Zimmer-Wohnung noch spielend hin. Wir machen unser Schlafzimmer zum Gästezimmer, und während der Saison werde ich auf der Couch im Wohnzimmer und mein Mann im Keller schlafen; Frühstück machen kann er gut und wer weiß, was wir für nette Leute kennenlernen. Auch ein Zelt im Vorgarten ist denkbar und möglicherweise kommt eine Stimmung auf wie bei der WM.
    Klimakatastrophe hin oder her, wir müssen einfach flexibler werden. Das Wetter fordert jeden. Fast täglich trumpft es mit neuen Überraschungen auf, und das bringt Abwechslung in die trüben Tage. In seinem eigenen Haus nachts schlafend im Bett zu ertrinken, ist eine völlig neue Todesart, und ich frage mich, ob die Lebensversicherung zahlt, wenn Alkohol im Spiel war, oder ob das als Mitverschulden ausgelegt wird? Neulich hat es in Süddeutschland so extrem geschüttet, dass sich die Autobahn blitzschnell in ein Becken verwandelte, in dem das Wasser 1,50 m hoch stand. Da kommen bei mir noch mehr Fragen auf. Mein Auto misst nur 1,40 m. Könnte ich in dem Fall trotzdem weiterfahren und gilt die Straßenverkehrsordnung auch unter Wasser? Und wenn sich herausstellt, dass eine Tiefgarage häufiger als an 15 Werktagen im Monat vollläuft, wäre es dann nicht sinnvoll, Nichtschwimmer-Parkplätze einzurichten?

ER Wetter
    »Tolles Wetter, nicht?«, war früher eine beliebte Gesprächseröffnung. Bisher haben Sie es vielleicht spritzig gefunden, zu antworten:
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