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Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

Titel: Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
Autoren: Juergen von der Lippe
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findet man Endstation. Warum wählt man ein solches Wort für eine Lokalität, von der aus man eine Flugreise startet? Und warum gibt es keine Reihe 13 im Flieger? Was könnte jemandem in dieser Reihe Gravierendes passieren, was die anderen nicht auch betrifft? Hier ist doch viel Irrationalität am Start. Warum gelten Piloten als trinkfreudig? Ich sage immer, wenn man mich nach meinem Getränkewunsch fragt: Ich nehme dasselbe wie der Käptn. Dann weiß ich wenigstens Bescheid. Deswegen sitze ich auch gerne am Fenster. Man sieht so interessante Sachen, z. B. wie das eigene Gepäck in eine andere Maschine geladen wird. Auf Langstreckenflügen beneide ich immer Menschen, die, kaum dass sie sitzen, schon eingeschlafen sind. Das geht bei mir nicht, weil ich nur nackt schlafe. Man stelle sich das Hallo vor bei Mitreisenden, die immer eine Digitalkamera oder einen Camcorder mit sich führen, weil ich auch Schlafwandler bin und darüber hinaus, wie man mir berichtete, in solchen Phasen offensichtlich auch von wüsten erotischen Träumen heimgesucht werde. Aber auch wenn ich wider Erwarten wohlbehalten im Ausland ankomme, bleibe ich Bedenkenträger, zumindest dort, wo ich mich nicht fließend verständigen kann, was überall dort der Fall ist, wo man weder Deutsch noch Englisch spricht. Möglicherweise lasse ich mich auch von Presseberichten über die Spezialitäten der ortsansässigen Kriminellen eher beeindrucken als von noch so eindringlichen Schilderungen der warmherzigen Fremdenfreundlichkeit der Eingeborenen. So würde ich z. B. nie nach Neapel fahren, dort ist, wenn man Presseberichten glauben darf, Folgendes an der Tagesordnung: »Dem nichts Böses ahnenden Touristen kommt eine Frau mit einem Baby auf dem Arm und rechts und links einem größeren Kind entgegen. Plötzlich wirft sie ihm das Baby zu, er fängt es natürlich auf, die beiden großen Rotzlöffel machen ihm die Taschen leer, hauen ab, die Mutter fängt an loszuplärren und zerrt an ihrem Kind, er lässt natürlich los und rennt weg, wird von mehreren Passanten überwältigt und festgehalten, bis die Polizei kommt, und hat seine liebe Not, glaubhaft zu machen, dass er kein Kindesentführer ist. Guter Trick. Aber was lernen wir daraus? Wenn jemand in Italien Ihnen ein Baby zuwirft, weichen Sie aus, lassen Sie es fallen oder werfen Sie es sofort einem anderen Passanten zu.
    Also ein Rucksackreisender, der, nur mit Reisepass und Gottvertrauen versehen, fremde Länder erkundet, werde ich in diesem Leben nicht mehr, meine Frau desgleichen, bleibt also der Urlaub an immer demselben Ort, das kommt meiner kindlichen Prägung entgegen und hat den Reiz, den das Vertraute nun einmal hat, bevor es in die ebenso vertraute Langeweile umschlägt. Eine Reise auf einem Kreuzfahrtschiff ist wegen meiner extremen Neigung zu Seekrankheit keine Option, außerdem würde ich 24-stündigen, kostenfreien Zugriff auf erlesene Speisen figürlich nicht verkraften. Was aber, obschon Zielscheibe des Spotts eines jeden Satirikers, für mich durchaus geht, ist ein Cluburlaub. Er verbindet aus Kindheit und Militärdienst vertraute Rituale wie karge Unterkunft, den Zwang zu pünktlichem Erscheinen bei allerlei körperlichen Aktivitäten, die Möglichkeit zum Erwerb von meist auch mit einem unsäglichen Initiationsritus verbundenen Leistungsnachweisen aller Art mit der Möglichkeit des Ortswechsels, was einem die Chance eröffnet, sich in Spanien in einer dem Bruder des Reiseleiters gehörenden Ledermanufaktur, in der Türkei in der Schmuckfabrik des Cousins über den Tisch ziehen zu lassen. Wenn man es auch noch schafft, drei andere Pärchen für das Unternehmen Robinson, Neckermann oder Club Med zu gewinnen, hat man sogar die Gefahr gebannt, beim Abendessen an den Achtertischen womöglich mit wildfremden Menschen in Kontakt zu geraten. Im Club Med darf man darüber hinaus bei fehlender französischer Sprachteilhaberschaft sicher sein, aufs Possierlichste gemobbt und benachteiligt zu werden, also beim Tennis, wo es heißt, Vorbestellungen sind nicht möglich, immer schon Franzosen vorzufinden, beim Wasserski wird man nach einstündiger Wartezeit ohne Angabe von Gründen fortgeschickt, will sagen, man versteht das Fortschicken, nicht aber die Gründe, und da mag das ehemalige Staatsoberhaupt Chirac unserer Kanzlerin noch so inniglich die Griffel abgelutscht haben bei jeder Gelegenheit, ich halte das nicht für eine Gesinnungswende zwischen den beiden Völkern, sondern für eine individuelle
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