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Noch Viel Mehr Von Sie Und Er

Titel: Noch Viel Mehr Von Sie Und Er
Autoren: Juergen von der Lippe
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außerhalb des Dorfes gelegen war, entdeckte ich an einer Gebäudefront ein unscheinbares Schild, das auf Nahrungsaufnahme hindeutete. Neugierig traten mein Mann und ich ein und fragten, ob wir was zu Essen bekommen könnten. Eine freundliche Spanierin bejahte und führte uns in eine Art Wohnzimmer, in dem wir die einzigen Gäste waren. Wir bekamen ungefragt Rotwein und kurze Zeit später diesen außergewöhnlichen, einzigartigen Braten mit frischem Gemüse und Kräutern serviert. Eine Woche lang sind wir jeden Mittag wieder zum Verspachteln dieses himmlischen Bratengedichts erschienen und zum Schluss erfuhren wir, dass wir in einem Kloster verköstigt wurden und die freundliche Spanierin eine als Kellnerin verkleidete Nonne war.
    Ähnlich erging es uns in anderen Ferien auf Menorca mit dem Linienbusfahrer der Strecke Mahon – Fornells, der freundlicherweise mitten auf der Landstraße anhielt, um uns aufzunehmen und in unserem Urlaubs- und seinem Heimatort abzusetzen. Völlig baff über die spontanen Möglichkeiten eines aufmerksamen Verkehrsteilnehmers, der uns vor dem sicheren Dehydrierungstod in sengender Mittagshitze bewahrt hatte – wohlgemerkt ohne Zahlungsaufforderung – wankten wir in Fornells ins nächstgelegene Restaurant am Hafen, um uns zu stärken. Die Küche war bereits geschlossen und als der Kellner unsere Bitte nach Tapas vernahm, meinte er, kein Problem, der Koch kommt gerade. Wer kam, war unser freundlicher Busfahrer mit der Kochschürze unterm Arm. Und kurz danach zwei mit Leber, Knoblauch, Öl und Kräutern gefüllte Schüsselchen, für die ich heute jederzeit mein Auto eintauschen würde. Dieses kleine Dorf hatte es kulinarisch gesehen dermaßen in sich, dass wir dort viele Jahre lang unsere Ferien verbracht haben. Der Fang der ansässigen Fischer kam direkt auf den Tisch der Restaurants, was auch dem spanischen König nicht entgangen war, der sich extra einen Hubschrauberlandeplatz anlegen ließ, um dort zu speisen. Zu den exzellentesten Urlaubserlebnissen zählt natürlich die Einladung des dortigen Spitzenkochs, mit ihm zusammen sein Lieblingsrestaurant zu besuchen. Also fuhren wir gegen Mitternacht, er musste zuerst natürlich die Gäste seines eigenen Restaurants beköstigen, ungefähr 30 Kilometer durch die Inselnacht und landeten nach verschlungensten Wegen, die nur Einheimische kennen, in dem kleinsten Restaurant, das ich je gesehen habe. Zwei Tische. Das Besitzer-Ehepaar hatte es um diese Stunde gar nicht eilig, ganz im Gegensatz zu meinem Mann und mir, die wir schon den ganzen Abend mit leerem Magen diesem Ereignis entgegengehungert hatten. Doch zuerst wurden die Aperitifs getestet, fino, muy fino und muy muy fino, und anschließend unter Fachleuten die zum Essen empfohlenen Weine besprochen. Dann ging es gegen 1.30 Uhr endlich los. Es war so unbeschreiblich lecker, dass während des Essens kaum geredet wurde, und das in Spanien. Als wir gegen 4 Uhr nach Dessert und Digestifs vollständig in Wohlgefallen aufgelöst die Heimreise antraten, dachten wir schon, dass dieses Menü nicht zu toppen sei. Doch Diego, unser ausgezeichnet kochender Freund und Langustenspezialist, warnte uns vor einem endgültigen Urteil. Zuvor sollten wir noch die Küche eines anderen Kollegen testen. Diesmal ging es nicht spät, sondern schon am Mittag los. Nur 25 Kilometer weiter, aber in einer anderen Richtung, überraschten wir seinen Freund bei der Arbeit und bekamen zur Begrüßung noch viel feineren Sherry aus selbst angebauten Trauben. Danach lud uns der Meister in seine Hochsicherheitszone, die Küche, ein. Auf dem Herd standen viele große Töpfe, deren Deckel der Hohepriester mit diebischem Vergnügen anhob, um uns mit den ausströmenden Düften verrückt zu machen. Dazu erklärte er, was sich darin zusammenbraute. Eines der Aromen brachte mich fast um meinen Köchinnen-Verstand. Ich erfuhr, dass es sich um ›Perdiz al vinaigre‹, also Rebhuhn in Essig handelte, und orderte sofort für den Besuch am Abend. Schelmisch fragte mich der Meister nach dem Zustand meiner Kauleisten, denn es könnten noch Schrotkugeln im Fleisch der Vögel sein, die sein Freund am Morgen geschossen hatte. Was soll ich sagen, das abendliche Mahl, das alles in allem über sechs Stunden zelebriert wurde, war trotz dreier kleiner Eisenkugeln in meinem Mund so extrem exquisit, dass wir mit der Schubkarre nach Hause gefahren werden mussten. Ein Service, den der Sohn des Hauses so selbstverständlich übernahm, wie auch die
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