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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht
Autoren: Fabio Volo
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von Carlo hielt, und ich antwortete, es mache mich froh, sie glücklich zu sehen. Ich fand ihn nämlich nie sonderlich toll, ich sah in ihm nie den Mann, bei dem Silvia sich voll würde entfalten können. Ich habe sogar versucht, mich mit ihm anzufreunden, ein paarmal sind wir zusammen ins Stadion gegangen, aber der Funke ist irgendwie nie so recht übergesprungen. Und so blieb ich eben nur Silvias Freund. Was nicht sonderlich schwierig ist, denn Carlo arbeitet viel und ist oft weg. Ein Mann, der für die Arbeit lebt. Er besitzt eine Stofffabrik, für die er oft tagelang ins Ausland muss. Silvia hilft ein bisschen im Büro, aber hauptsächlich ist sie Mutter. Er hat darauf bestanden, dass sie aufhört zu arbeiten und sich ganz der Tochter widmet.
    Carlo liebt es, seinen Reichtum zur Schau zu stellen. Er hat keine Brieftasche, er hält die Scheine mit einer kleinen Klammer zusammen, und wenn er bezahlt, fächert er erst die großen Scheine außen auf, bis er zu den kleinen im Innern kommt, die er braucht.
    Er besitzt eine Menge Uhren, mehr als eine pro Stunde. Und Sonnenbrillen. Und Anzüge, Jacken und Zubehör plus natürlich mehrere Autos. Er besitzt sogar ein Boot, genauer gesagt ein Motorboot – wie alle, denen das Ankommen wichtiger ist als das Reisen.
    Da ich weiß, dass es ihn freut, wenn man von seinen Besitztümern Notiz nimmt, mache ich ihm jedes Mal Komplimente für etwas, das er besitzt. Er fühlt sich dann wertgeschätzt, und ich nehme ihn oft auf den Arm: »Eine tolle Uhr hast du da, eine tolle Sonnenbrille, ein tolles Auto.« Ich bin jedes Mal verblüfft, dass er sich bedankt.
    »Das ist aber eine tolle Sonnenbrille, Carlo.«
    »Oh, danke.«
    Ich habe nie begriffen, warum manche Menschen sich für ein Kompliment bedanken, das einer Sache gilt, die sie besitzen. Am liebsten würde ich erwidern: »Die hast du doch nicht entworfen, die Brille! Wofür bedankst du dich? Wach auuuuuuf!«
    Silvia und ich, wir lachen über so was. Nicht aus Bosheit. Silvia ist für mich wie das Seil für einen Akrobaten: Wenn ich glücklich bin, tanze ich darauf mit einem bunten Schirmchen, wenn ich traurig bin, halte ich mich daran fest.
    Als wir uns kennenlernten, waren wir auch mal kurz zusammen, aber als Paar klappte es zwischen uns nicht besonders. Wir funktionierten in dieser Rolle nicht, dafür wurden wir dann dicke Freunde. Silvia und ich sind der lebende Beweis dafür, dass es zwischen Mann und Frau Freundschaft geben kann. Natürlich erst, nachdem man miteinander geschlafen hat. Ich glaube, wir wären auch ohne das Freunde geworden, aber so ist die Sache klarer. Wir wissen, dass diese Art der Beziehung zwischen uns beiden nicht klappt. Als Freunde hingegen schenken wir uns unvergessliche Momente und reine Liebe. Ich kann sagen, dass ich Silvia liebe.
    Eigentlich war es auch gar nicht so übel, mit ihr zusammen zu sein, nur dass wir uns zu ähnlich waren: Wir waren zwei Schrauben, zwei Stecker, zwei Schlüssel.
    Ein paar Tage nach Michelas Abreise lud Silvia mich zum Abendessen ein. Wir aßen zu dritt, ich, Silvia und Margherita. Später brachte ich die Kleine ins Bett: Sie wollte nicht, aber nachdem sie eine Weile geweint hatte, schlief sie ein.
    Silvia und ich machten es uns auf dem Sofa gemütlich und unterhielten uns ausführlich. Ein schöner Abend. Wie so oft mit ihr. Bevor ich ihr haarklein alles erzählte, was ich auf dem Flughafen beobachtet hatte, sprachen wir über sie und Carlo.
    »Neulich sind wir essen gegangen, und außer unseren üblichen Freunden waren auch Patrizia und Pietro da.«
    »Patrizia und Pietro?«
    »Ja… Pietro, der Freund von Alessandro, mit dem er immer Tennis spielt.«
    »Ach, der… Wieso sind die mitgekommen?«
    »Weil Patrizia mit der Frau von Giorgio befreundet ist.«
    »Welcher Giorgio?… Ach, egal, komm zur Sache. Warum erzählst du mir das?«
    »Weil sie ihn dauernd umarmte, seine Hand nahm, ihn Schatz nannte… und ich sie verdammt beneidet habe. Sie hatten das, was ich mir immer erträumt, aber leider nicht bekommen habe. Meine Ehe ist gescheitert.«
    In der Beziehung mit Carlo kriselte es, und zwar schon lange. In den letzten anderthalb Jahren hatte Silvia auf jede erdenkliche Art versucht, die Beziehung zu retten, doch mittlerweile hatte sie eingesehen, dass nichts mehr zu machen war. Sie hatte still abgewartet, ob die Krise von allein vorüberging, hatte mehrmals versucht, das Thema anzusprechen und die Karten auf den Tisch zu legen, doch es war praktisch unmöglich, mit
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