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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament
Autoren: Liza Marklund
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die Zähne ausgeschlagen«, sagte Annika und unterdrückte den Würgereiz.
    Bernhard Thorell lachte herzlich, die strahlenden Augen blitzten auf.
    »Sie haben ein bisschen zu genau in Nobels Testament gelesen«, sagte er. »
Nemesis
ist keine faktische Beschreibung der Ereignisse um Beatrice Cencis Leben und Tod. Das Theaterstück ist viel mehr als das. Es ist eine moralische Auseinandersetzung mit Schuld und Vergeltung, mit der Macht der Kirche und den Sünden der Väter.«
    Annika starrte den Mann an.
Nobels Testament, die Macht der Kirche, die Sünden der Väter.
    Aus welchem Grund hatte er begonnen, auf die gleiche Weise wie Beatrice Cenci zu morden?
    Warum identifizierte er sich derart mit ihr?
    »Wissen Sie, wie sie Beatrice dazu gebracht haben, zu gestehen?«, fragte Bernhard Thorell. »Wissen Sie, was die Folterknechte des Vatikans taten, um sie zu brechen?«
    Annika blickte zu Boden.
    »Sie haben ihr die Haare abgeschnitten«, sagte er. »Haben sie ausgezogen und ihr die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Dann haben sie sie an den Armen in die Luft gehoben. Sehen Sie das vor sich? Können Sie sich das vorstellen? Wie sie da hängt, nackt, so klein, so winzige Brüste? Höher und höher, zum Schluss waren es zwei Meter. Und als sie dann bis kurz vor dem Boden fallen gelassen wurde, riss es ihr beide Arme aus den Gelenken. Da wurde sie ohnmächtig.«
    Bernhard lachte.
    »Aber selbst da gestand sie noch nicht. Nicht bevor ihre Brüder in die Folterkammer kamen und petzten. Da gab sie auf. Es machte keinen Sinn, noch länger zu kämpfen.«
    Annika schloss die Augen, am Rande ihres Bewusstseins kreiste ein Gedanke, es war etwas, das Bernhard Thorell gesagt hatte, oder war es Berit gewesen?
    Sonne, Wärme, Wiese.
    Ich habe das Familienanwesen in Roslagen behalten, nachdem meine Eltern verunglückt waren …
    »Sie fragen sich vielleicht, warum ich das alles weiß«, sagte er. »Wenn Sie glauben, ich denke mir das nur aus, dann irren Sie sich.«
    Annika kniff weiter die Augen zusammen.
    Die Redaktion, Berit mit Kaffeebecher und Krümeln im Mundwinkel.
    Simon Thorell, eigentlich der erste echt kapitalistische Großanleger. Er hat sich und seine Frau auf einer Reise in den Alpen totgefahren, wenn ich mich recht entsinne. Sehr tragische Geschichte …
    »Alexandre Dumas«, sagte Bernhard Thorell. »Er hat alle Protokolle über den Prozess gegen Beatrice Cenci eingesehen. Alle Handlungen sind genau beschrieben, nachzulesen in
Celebrated Crimes, Volume 1, Part 2.
Das Stück heißt
The Cenci.
«
    Die Macht der Kirche. Die Sünden der Väter. Alles beschrieben in Nobels geistigem Testament.
    Annika schlug die Augen auf und sah den Mann direkt an.
    »Sie fühlen sich verwandt mit Beatrice«, sagte sie. »Ihre Faszination rührt daher, dass Sie es gemacht haben wie sie. Sie haben Ihren Vater umgebracht, genau wie Beatrice Cenci.«
    Bernhard Thorell hob die Augenbrauen und lächelte.
    »Sie haben das Auto manipuliert, sodass Ihre Eltern tödlich verunglückten«, sagte Annika. »Wie haben Sie das hingekriegt?«
    »Es war ein betrüblicher Unfall«, sagte er.
    »Woher wussten Sie, was Sie zu tun hatten?«, fragte Annika. »Sie waren doch noch ein Kind.«
    Bernhard Thorell stellte sich vor das Gemälde, nahm das schützende Glasgehäuse ab und betrachtete fasziniert das Gesicht der Kindfrau.
    »Sechzehn«, sagte er und liebkoste die Malerei mit den Augen. »Ich war sechzehn, ungefähr in Beatrices Alter.«
    Großer Gott, dachte Annika, er ist ein Monster.
    »Was haben Sie mit den Bremsen gemacht?«, fragte sie und zwang ihre Stimme zur Ruhe.
    Der Mann wandte sich zu ihr um und deutete mit der Waffe hinaus auf die Straße.
    »Haben Sie den Jaguar draußen gesehen? Ein Dreiundsechziger. Ich habe jede Schraube selbst überholt. Ich habe ihn von meinem Onkel zu meinem vierzehnten Geburtstag bekommen. Die eine Bremsleitung an Papas Auto zu kappen hat keine zwei Sekunden gedauert.«
    Annikas Herz pochte, sie bohrte die Fingernägel in ihre Handflächen und zwang sich, ruhig zu atmen.
    »Warum?«, sagte Annika. »Warum haben Sie das getan?«
    Bernhard Thorell sah sie an, und plötzlich wusste sie es. Natürlich, es war so einfach.
    »Sie glauben, Alfred Nobel habe über Sie geschrieben, nicht wahr? Sie meinen, Nobels Testament handele eigentlich von Ihnen.«
    Er neigte den Kopf zur Seite und hörte ihr aufmerksam zu.
    »Sie glauben allen Ernstes, Sie wären Beatrice«, sagte Annika. »Ihr Vater war reich und mächtig, genau wie
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