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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament
Autoren: Liza Marklund
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gewonnen hatte, oder war es in diesem Jahr gewesen? Der Kommissar warf einen hastigen Blick auf das Display und murmelte: »Muss mal eben drangehen.« Er stellte das Aufnahmegerät ab, erhob sich und wandte sich zur geschlossenen Tür, während er sprach.
    Er redete und redete, seine Stimme hob und senkte sich. Annika verspürte den Drang aufzustehen. Der Verkehrslärm, der sich seinen Weg durch die Ritzen am Fenster suchte, zog sie an. Langsam atmete sie gegen die kalte Glasscheibe, für einen Augenblick vernebelte ihr das die Sicht, aber als die Scheibe wieder klar wurde, sah sie die Hantverkargatan. Ihre Straße, darüber das Stadtviertel Klara, Züge donnerten vorbei, das Ärztezentrum Serafen leuchtete auf der linken Seite.
    Ihr Ärztezentrum! Ihr Hausarzt, bei dem sie erst am Vormittag mit Kalle gewesen war – schon wieder eine Mittelohrentzündung.
    So nah und doch in einer anderen Wirklichkeit, nur vier Blocks von zu Hause.
    Ihre Kehle schnürte sich zusammen, oh Gott, ich will nicht umziehen!
    »Die Opfer sind identifiziert«, sagte Q und holte sie zurück in den Raum. »Vielleicht haben Sie sie erkannt?«
    Auf wackeligen Beinen ging sie zurück zu ihrem Stuhl, setzte sich auf die äußerste Kante und räusperte sich.
    »Der Mann ist Preisträger«, sagte sie. »Medizin, glaube ich. Aus dem Stand erinnere ich mich nicht an seinen Namen, aber den habe ich in meinen Aufzeichnungen.«
    Sie langte nach ihrer Tasche, um zu demonstrieren, dass die Information nur eine Armlänge entfernt war. Sie unterbrach die Bewegung auf halber Strecke.
    »Aaron Wiesel«, bestätigte der Kommissar. »Aus Israel. Er hat sich den Preis mit dem Amerikaner Charles Watson geteilt. Und die Frau?«
    Annika schüttelte den Kopf.
    »Hab sie noch nie gesehen.«
    Q fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen.
    »Wiesel wird momentan im Sankt-Göran-Krankenhaus operiert. Die Frau hieß Caroline von Behring, Vorsitzende des Nobelpreiskomitees vom Karolinska-Institut. Sie ist noch auf der Tanzfläche gestorben, also eigentlich sofort.«
    Die Wärme verschwand aus ihren Händen. Kälte breitete sich in ihren Fingern und im Kreislauf aus, die Gelenke wurden steif. Mühsam fischte sie den Schal auf, der hinter sie gerutscht war, und zog ihn sich wieder um die Schultern.
    Ihre Augen, als sie starb. Sie
hat mich angesehen, als sie starb.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte sie. »Es tut mir wahnsinnig leid, aber ich habe wirklich unglaublich viel zu tun.«
    »Sie dürfen nicht darüber schreiben«, sagte Q und lehnte sich schwer auf dem Stuhl zurück. »Ihre Schilderung der Frau, die Sie geschubst hat, stimmt mit der Beschreibung des flüchtigen Mörders überein. Sie sind einer unser Hauptzeugen, deshalb muss ich Sie ab sofort mit einem Redeverbot belegen.«
    Annika erhob sich halb und sank dann wieder auf den Stuhl.
    »Bin ich verhaftet?«, fragte sie.
    »Was ist das für ein Unsinn?«, sagte Q und stand auf, das Handy griffbereit.
    »Redeverbot bekommt man während einer Strafverhandlung«, sagte Annika. »Wenn ich nicht verhaftet bin und sonst auch niemand, wie können Sie mir dann ein Redeverbot auferlegen?«
    »Sie sind nicht so klug, wie sie glauben«, sagte Q. »Laut Strafgesetzbuch Kapitel 23, Paragraf 10, letzter Absatz gibt es noch eine andere Form des Redeverbots. Diese bezieht sich auf die Äußerungsfreiheit von Hauptzeugen und kann bei Verdacht auf groben Informationsmissbrauch vom Leiter der Voruntersuchung erlassen werden.«
    »Die freie Meinungsäußerung ist per Grundgesetz geschützt«, sagte Annika, eine Spur lauter. »Und Sie sind nicht der Leiter der Voruntersuchung, bei so einem Verbrechen muss ein Staatsanwalt eingeschaltet werden.«
    »Sie irren sich schon wieder. Bis jetzt ist noch kein Voruntersuchungsleiter bestimmt worden, ich arbeite im Moment kommissarisch.«
    Annika erhob sich hitzig und lehnte sich über den Tisch.
    »Sie können mich nicht davon abhalten, über das, was ich gesehen habe, zu berichten!«, sagte sie schrill. »Ich habe den Artikel schon fertig im Kopf, ich kann den besten Augenzeugenbericht der Welt schreiben, drei Seiten lang, vielleicht sogar vier, ich habe den Mörder gesehen, den Mord, ich habe gesehen, wie das Opfer starb …«
    Q fuhr zu ihr herum und drückte ihr seine Nase ins Gesicht.
    »Hören Sie verdammt noch mal auf!«, schrie er. »Wenn Sie weiter so störrisch sind, verhänge ich eine Ordnungsstrafe. Setzen Sie sich.«
    Annika schwieg und setzte sich mit einem leisen Plumps, sie
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