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Nobels Testament

Nobels Testament

Titel: Nobels Testament
Autoren: Liza Marklund
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noch nie am eigenen Leib erfahren. Das Bein schmerzte gemein, sie spürte, wie der Knochen von innen gegen die Haut unter dem linken Knie drückte.
    Sie schleppte sich rückwärts, bis sie gegen einen kleinen Baumstamm stieß, stöhnte wieder. Die Liste möglicher Alternativen war unglaublich schnell geschrumpft.
    Mit ihrer gesunden Seite kämpfte sie sich in den Stand, dann warf sie sich gezielt mit der anderen Schulter gegen den Baumstamm.
    Holy fucking shit!
    Der Schmerz, als das Gelenk zurücksprang, war beinahe nicht auszuhalten. Sie musste sich mit der anderen Hand am Baum abstützen, um nicht wieder in Ohnmacht zu fallen.
    Als sie sich gesammelt hatte, bewegte sie probehalber die Finger der linken Hand, schüttelte den Arm (den schweren, schwachen, kaputten Arm) und stellte fest, dass er funktionierte. Mit dem Bein war nichts zu machen.
    Sie beugte sich vorsichtig hinunter und griff nach dem Helm. Langsam hüpfte sie zum Motorrad hinüber, richtete es auf und ließ sich mühsam auf dem Sattel nieder. Als sie den linken Fuß auf die Fußstütze stellte, musste sie sich auf die Lippen beißen. Schweiß stand ihr auf der Stirn, als sie sich zurechtsetzte.
    Einen Moment wusste sie nicht, in welche Richtung sie fahren sollte. Der Wald sah überall gleich aus, und sie konnte sich nicht erinnern, von wo sie gekommen war.
    Shit, shit, shit!
    Sie sah auf die Uhr. Dreizehn Minuten hinter Plan.
    Ihr Komplize sollte mit dem Boot nur eine halbe Stunde in Torö warten, danach hatte er die Order, abzulegen und sich Richtung Ventspils zu begeben.
    Die Angst traf sie wie ein Dolch in die Brust.
    Sollte dieser Scheißjob hier am Nordpol etwa ihr letzter sein?
    Sie zog den Helm auf, klappte das Visier hinunter und legte den ersten Gang ein. Sie wendete das Motorrad und fuhr in die Richtung, in der sie Süden vermutete. Das linke Knie stand in einem unbeschreiblich falschen Winkel ab.
    Annika folgte dem Polizisten durch die verwinkelten Gänge des Stadshuset und erreichte schließlich einen langen Korridor. In der Ferne schwebten schwach leuchtende Lüster unter schweren Dachbalken, aber hier herrschte Dunkelheit, Schatten und Schweigen.
    Ungeduldig beschleunigte sie den Takt und überholte den Polizisten.
    »Wie lange soll das hier eigentlich dauern?«, fragte sie und sah auf die Uhr.
    »Mal sehen, ob wir hier richtig sind«, sagte der Polizist und blieb stehen. Er ergriff ihren nackten Oberarm, als wäre sie eine Verdächtige, als würde sie flüchten wollen. Sie machte sich los, der Polizist klopfte an eine Tür, an der das Schild »Bråvalla Saal« hing.
    »Wenn ich abhauen wollte, hätte ich das schon längst getan«, sagte sie.
    Drinnen saßen zwei Polizisten in Zivil und ein Reporter, den Annika von Live-Berichterstattungen aus dem Fernsehen kannte. Er weinte, dass seine Schultern nur so bebten. Einer der beiden Zivilen schrie derart wütend los, dass der Polizist sich fast die Nase einklemmte, als er die Tür schloss.
    »Hier war es nicht«, sagte er mit glühenden Ohrläppchen.
    Merkwürdig lautlos gingen sie weiter, passierten graue Türen in grauen Wänden und schließlich den großen Eingang zu einer Schreibstube, wo gerade die Befragung eines Mitglieds der Schwedischen Akademie begonnen hatte. Annika hörte nicht, was gesprochen wurde, aber sie sah den Polizist schreiben und den Mann nervös mit den Fingern am Stuhlbein entlangstreichen.
    Ich muss mich erinnern, dachte sie, nachher muss ich das alles beschreiben können. Ihr fiel auf, dass die Szene sogar von Ragnar Östberg, dem Architekten des Stadshuset, beobachtet wurde, der das Geschehen mit besorgter Bronze-Miene verfolgte.
    Hast du gedacht, dass so etwas mal in deinem Haus passieren würde?, dachte Annika und wurde erneut von der klammen Hand des Polizisten festgehalten.
    »Können Sie hier bitte einen Augenblick warten?«
    »Als hätte ich die Wahl«, sagte Annika und wandte sich ab.
    Hier war es ein wenig heller. Sie konnte die Details deutlicher ausmachen, Marmorbüsten über den Türen, Türbeschläge aus Bronze, die protzigen Deckenleuchter.
    »Ich muss heute noch schreiben«, sagte sie, aber der Polizist war schon den Gang hinunter verschwunden.
    Eine Tür öffnete sich, es wurde nach ihr gerufen. Licht strömte durch die Öffnung, fiel auf ein Bild an der gegenüberliegenden Wand des Korridors. Sie trat ein, lautlos.
    »Machen Sie hinter sich zu.«
    Die Stimme ließ sie aufhorchen.
    »Da hätte ich drauf wetten können«, sagte sie, »dass Sie hier
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