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Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders

Titel: Noahs Kuss - - ...Und plötzlich ist alles anders
Autoren: PeP eBooks
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gewöhnt.
    Nach meinen Eltern war Joni die Erste, der ich mich geoutet habe.
    Das war in der zweiten Klasse.
    Als es passierte, waren wir beide gerade unter meinem Bett. Wir waren unter meinem Bett, weil Joni zu mir zum Spielen gekommen war und es zum Spielen im gesamten Haus keinen cooleren Platz als unter meinem Bett gab. Wir hatten uns mit Taschenlampen ausgerüstet und erzählten uns Gruselgeschichten. Ein Rasenmäher brrrrrummte draußen. Wir bildeten uns ein, es wäre der Sensenmann, der gekommen war, um uns zu holen. Das war nämlich unser Lieblingsspiel: dem Tod gerade noch von der Schippe springen.
    » Also, eine giftige Schlange hat dich in den linken Arm gebissen– was tust du?«, fragte Joni.
    » Ich versuche, das Gift auszusaugen.«
    » Aber das klappt nicht. Das Gift steigt deinen Arm hoch…«
    » Dann nehme ich eine Axt und hacke mir den Arm ab.«
    » Aber wenn du dir den Arm abhackst, verblutest du.«
    » Dann ziehe ich mein T-Shirt aus und binde es um den Stumpf, um die Blutung zu stoppen.«
    » Aber ein Geier riecht das Blut und stürzt auf dich herab.«
    » Dann benutze ich meinen rechten Arm, um den linken Arm zu packen, den ich abgehackt habe, und schlage damit den Geier in die Flucht!«
    » Aber…«
    Joni hörte auf zu reden. Zuerst dachte ich, ich hätte sie mit meiner brillanten Argumentation zum Schweigen gebracht. Dann kam ihr Gesicht mit geschlossenen Augen immer näher. Sie roch nach Kaugummi und Fahrradschmiere. Bevor ich wusste, wie mir geschah, berührten ihre Lippen meine. Ich war so schockiert, dass ich sofort aufsprang. Weil wir immer noch unter meinem Bett waren, krachte ich mit dem Kopf an den Lattenrost meiner Matratze.
    Jonis Augen klappten auf.
    » Warum machst du das?«, brüllten wir beide gleichzeitig.
    » Magst du mich nicht?«, fragte Joni, spürbar verletzt.
    » Doch«, sagte ich. » Aber ich bin schwul, weißt du?«
    » Oh. Cool. ’tschuldigung.«
    » Kein Problem.«
    Eine Pause, dann fuhr Joni fort:
    » Aber der Geier zerrt dir den linken Arm aus der Hand und fängt an, damit auf dich einzuprügeln…«
    In diesem Augenblick wusste ich, dass Joni und ich für ganz lange gute Freunde sein würden.
    Mit Jonis Hilfe wurde ich dann der erste erklärtermaßen schwule Klassensprecher, seit Ms Farquar an unserer Schule unterrichtete.
    Joni war meine Wahlkampfleiterin. Sie war auch diejenige, die sich meinen Wahlkampfslogan ausgedacht hat: » WÄHLT MICH… ICH BIN SCHWUL!«
    Ich fand, das war eine extreme Vereinfachung meiner Haltung zu den diskutierten Themen (für mehr Pausen, gegen mehr Sport), aber Joni erklärte, damit sei mir die Aufmerksamkeit der Medien todsicher. Zuerst wollte sie als Slogan » WÄHLT MICH… ICH BIN EIN SCHWULER«, aber ich wandte ein, dass man das aus der Ferne womöglich als » WÄHLT MICH… ICH BIN EIN SCHÜLER« missverstehen könnte, und ein solcher Allgemeinplatz würde mich sicherlich Stimmen kosten. Deshalb haben wir uns auf das Adjektiv geeinigt, und dann ging’s richtig los!
    Mein größter Gegner war (tut mir leid, das sagen zu müssen) Ted Halpern. Sein erster Slogan lautete » WÄHLT MICH… ICH BIN NICHT SCHWUL«, womit er nicht gerade besonders pfiffig rüberkam. Danach versuchte er es mit » IHR KÖNNT IHN NICHT WÄHLEN… ER IST SCHWUL«, was erstens zu lang und zweitens ziemlich dumm war, weil niemand gesagt bekommen möchte, wen er nicht wählen kann. In den letzten Tagen vor der Wahl probierte Ted es schließlich aus lauter Verzweiflung mit » KEINE STIMME FÜR DIE SCHWUCHTEL«. Hallo? Joni hätte ihn dafür am liebsten gleich plattgemacht, aber ich wusste, dass er uns damit nur in die Hände spielte. Als dann die Wahl stattfand, bekam er nur den ziemlich kleinen Anteil der Schwachkopf-Wählerstimmen, während ich die Mädchen-Stimmen, die Liberale-Jungs-Stimmen, die Nicht-bekennende-Homosexuelle-Stimmen (wir waren damals in der fünften Klasse) und die Ted-Hasser-Stimmen einstreichen konnte. Es war ein Erdrutschsieg, und als alles vorbei war, hat Joni Ted sowieso noch verprügelt.
    Am nächsten Tag beim Mittagessen tauschte Cody O’Brien mit mir dann zwei Twinkies gegen eine Schachtel Rosinen– ganz klar ein ungleicher Tausch. Am Tag darauf gab ich ihm drei Yodels für ein Fig Newton.
    Das war mein erster Flirt.
    Bei der Abschlussfeier nach der fünften Klasse war Cody mein Tanzpartner. Jedenfalls hätte er mein Partner sein sollen. Zwei Tage vor dem großen Ereignis hatten wir dann einen Streit wegen einem Nintendo-Spiel,
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