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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch
Autoren: H Dunmore
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Abend.«
    *
    Damit gingen die Schwierigkeiten erst richtig los. Mum schrie nicht, sie weinte, und das war viel schlimmer. Roger hat natürlich nicht geweint, aber er sah so furchtbar enttäuscht aus. Als hätte er für uns ein fantastisches Geschenk gekauft, und wir würden uns weigern, es auch nur zu öffnen.
    Conor legte Mum einen Arm um die Schultern und ließ ihn dort liegen. Ich hatte das Reden weitgehend ihm überlassen, weil ich wusste, dass er überzeugender sein würde als ich. Auch Mum dachte natürlich zuerst, dass Conor nur seiner kleinen Schwester beistehen und mir zuliebe auf die großartige Gelegenheit verzichten wollte. Doch Conor machte sehr deutlich, dass dem nicht so war.
    Wir versuchten, sie zu überreden, die Reise allein anzutreten. Aber davon wollten sie nichts hören, und auch als wir später erschöpft zu Bett gingen, hatte Mum sich in dieser Frage kein bisschen in unsere Richtung bewegt.
    »Das ist ausgeschlossen. Was glaubt ihr denn, was für eine Mutter ich bin?«
    »Die beste Mutter, die es gibt«, antwortete Conor, »aber darum geht es doch nicht.«
    Mum lächelte ihn kurz an, bevor sich ihr Gesicht erneut verhärtete und sie weitere Gründe anführte, warum sie uns auf gar keinen Fall allein lassen konnte.
    *
    Am nächsten Tag besserte sich die Stimmung. Mum war schon früh auf den Beinen, machte die Küche und redete mit Roger. Bei der Arbeit meldete sie sich krank, was sie nie zuvor getan hat. Danach unternahmen die beiden einen langen Spaziergang (auf dem sie extra einen Umweg in Kauf nahmen, um nicht an ihrem Arbeitsplatz vorbeizulaufen). Als sie am Nachmittag zurückkehrten, war Mum ruhiger geworden. Roger erklärte, dass wir uns alle zusammensetzen und über die verschiedenen Möglichkeiten diskutieren sollten. Da wussten Conor und ich, dass der Felsklotz in Bewegung geraten war.
    *
    Mum fährt. Nicht für die vollen drei Monate, aber sie fährt. Sie und Roger werden gemeinsam nach Australien aufbrechen, und sie wird für sechs Wochen dort bleiben. Conor sagte, es sei doch verrückt von ihr, nicht die vollen drei Monate auszunutzen, doch Mums Entscheidung stand fest.
    Vielleicht, entgegnet Conor, würde sie ja doch spontan ein wenig länger bleiben, wenn sie merken würden, dass es uns gut ginge. Er wollte ihr die Möglichkeit geben, die vollständige Reise mit Roger zu machen, einschließlich Neuseeland.
    Ich glaube, es war Granny Carne, die bei Mum einen Sinneswandel herbeigeführt hat. Jedenfalls hat Mum ihr einen Besuch abgestattet und blieb den ganzen Abend lang fort. Als sie schließlich wiederkam, sah sie verändert aus. Die besorgten Falten waren aus ihrem Gesicht verschwunden.
    Mum wollte uns nicht erzählen, worüber sie mit Granny Carne geredet hat, doch sie verriet uns zumindest, dass Granny Carne sie darin bestärkt habe, die Reise allein mit Roger anzutreten. Mum hat großes Vertrauen in das Urteilsvermögen von Granny Carne und weiß auch, dass ihr Rat von vielen Einwohnern der Gegend geschätzt wird. Granny Carne hat Mum versprochen, auf uns aufzupassen, während sie fort ist.
    Als ich das hörte, sah ich eine Eule über ihrem Nest schweben. Ihre bernsteinfarbenen Augen blitzten kampfeslustig, und sie hatte die Krallen ausgefahren, um jeden möglichen Angreifer sogleich in die Flucht zu schlagen. Aber natürlich sind Conor und ich keine Eulenbabys mit flauschigen Federn. Die Vorstellung, Granny Carne als Aufpasserin zu haben, ist ebenso bedrohlich wie beruhigend. Conor und ich bleiben mit Sadie in unserem Haus. Mary Thomas, unsere nächste Nachbarin, sagt, wir könnten Tag und Nacht zu ihr kommen, wenn wir irgendein Problem hätten. Außerdem will sie jeden Tag nach uns schauen. Auch Gloria Fortune erklärte sich bereit, jederzeit da zu sein, wenn wir Hilfe brauchten, denn »mit meinem Bein«, sagte sie, »kann ich mich sowieso nicht weit fortbewegen«. Ich vermute jedoch, dass wir mehr auf sie aufpassen werden als sie auf uns.
    Rainbow reagierte sehr ruhig. Sie umarmte mich, als sie die Nachricht hörte, und sagte: »Ich wusste, dass du das hinkriegst, Sapphy.«
    Jacks Mum lud uns ein, jeden Sonntagabend zu ihnen zum Essen zu kommen. Ich fand das ein wenig einengend, doch Conors Augen leuchteten auf. Jacks Mum macht fantastische Braten.
    Sogar der Vikar kam vorbei, blieb ewig zum Tee und sagte zu Mum, sie solle uns ausrichten, dass er stets da wäre, abgesehen von einer Woche Ferien, die er im November in Rom verbringe. Der Vikar ist ein sehr gewissenhafter
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