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Nixenfluch

Nixenfluch

Titel: Nixenfluch
Autoren: H Dunmore
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Feuer hängt.
    Der Tee ist gut. Jetzt fühle mich schon entspannter. »Ich will nicht nach Australien«, sage ich.
    »Dann solltest du auch nicht dorthin gehen«, entgegnet Granny Carne gleichmütig.
    »Das würde Mum so traurig machen. Und ohne mich geht sie ganz bestimmt nicht.«
    »Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher. Ich kenne Jennie. Solange sie weiß, dass du in Sicherheit bist und es dir gut geht, wird sie damit keine Schwierigkeiten haben. Aber was ist mit Conor? Will er nach Australien?«
    »Ich weiß nicht … ich glaube schon.«
    »Die Frage ist, Sapphire, ob er auch ohne dich gehen würde.«
    »Das ist ja das Problem. Ich will es für ihn nicht so schwierig machen. Natürlich soll er nach Australien gehen, wenn er Lust dazu hat.«
    Ich sage das so entschieden wie möglich, weil ich weiß, dass es richtig ist, aber ich kann mir nicht vorstellen, drei Monate ohne Conor zu verbringen. Conor war immer da. Eigentlich kann ich mir nicht mal eine Woche ohne ihn vorstellen.
    Wenn er nach Australien geht, dann kann er sich jedenfalls nicht noch mehr in Elvira verlieben. Sieh es positiv, Sapphire …
    Doch keine der beiden Alternativen ist sonderlich verlockend.
    Rainbow meint, dass ich es kann, wenn ich will. Ich meine, die Umstände zu verändern, statt mich von ihnen verändern zu lassen. Sie meint, ich solle Roger und Mum sagen, was passieren soll , statt zu warten, bis sie mir sagen, was passieren wird . Ich wünschte, ich hätte so viel Zutrauen zu mir selbst wie Rainbow es offenbar hat …
    »Rainbow ist ein gutes Mädchen«, sagt Granny Carne nachdenklich, als hätten wir gerade über sie gesprochen. »Sie würde auch gut zu Conor passen, meinst du nicht?« Ich starre Granny Carne fassungslos an. Conor und Rainbow? Aber Conor ist doch total vernarrt in Elvira. Außerdem ist Rainbow meine Freundin und nicht seine. Conor und Rainbow …
    Ich denke über sie nach. Über Rainbows Freundlichkeit und Warmherzigkeit, ihre Intuition, ihre Stärke und Unabhängigkeit. An Rainbow ist nichts rätselhaft, sie ist so hell und klar wie das Sonnenlicht. Ihre kurzen blonden Haare sind das Gegenteil von Elviras wallenden Locken. Wenn ich an Conor und Elvira als Paar denke, habe ich stets das Bild vor Augen, wie sie sich von mir abwenden und gemeinsam davonschwimmen. Ich denke immer, dass Elvira ihn mir wegnimmt. Ich glaube nicht, dass Rainbow das tun würde. Rainbow und Conor – könnte das je geschehen?
    »Aber Conor geht nach Australien«, sage ich laut.
    »Es ist schon eine lustige Sache, dass alle unbedingt zum Grund der Welt wollen«, sagt Granny Carne und sieht mich prüfend an.
    Ihre Worte erzeugen ein Echo in meinem Kopf. Sie haben eine solche Kraft, dass meine Haut prickelt. Der Wal hat gesagt, dass die große Reise mich vielleicht zum Grund der Welt bringen wird. Eines Tages, kleiner Nacktfuß, wirst vielleicht auch du zum Grund der Welt gelangen und meiner Tochter begegnen. Wie gern würde ich die Tochter des Wals kennenlernen. Es mag sich seltsam anhören, doch in gewisser Weise hätte ich vermutlich das Gefühl, sie sei meine Schwester.
    Doch will ich nicht mit einem vollbepackten Jumbojet, gemeinsam mit Hunderten von Leuten, zum Grund der Welt gelangen. Das ist für mich kein Reisen. Nein, ich will mich von den großen Strömungen tragen lassen, mit ihnen an Kontinenten und Inseln vorbeirauschen. Im lebendigen Wasser möchte ich mich fortbewegen, nicht in der toten Luft eines Flugzeugs. Ich will alle Wesen von Indigo kennenlernen. Ich will mit den Mer zusammen sein.
    »Die Erde braucht jemand wie dich und Indigo braucht jemand wie dich«, fährt Granny Carne fort. »Verstehst du, was ich sage, Sapphire? Wahrscheinlich betrachtest du es als Fluch, gemischtes Blut zu haben. Denn dein Menschenblut zieht dich in eine, dein Merblut in die andere Richtung. Und dein Merblut zieht dich gerade ziemlich stark, nicht wahr, mein Mädchen? Du willst Indigo angehören. Du glaubst, du könntest dort leben. Ist es so? Habe ich recht, mein Mädchen?«
    »Ja«, antworte ich leise.
    »Aber du kannst nicht nur einem Ort angehören«, sagt Granny Carne. »So steht es im Buch des Lebens nicht geschrieben.«
    Das ist schrecklich. Bei Granny Carne klingt es so, als sei alles vorherbestimmt. Als könnte ich mich gar nicht frei entscheiden. Ich will nicht glauben, dass meine Zukunft in irgendeinem Buch bereits festgeschrieben ist, vor allem nicht in einem Buch, das ich nie wiedersehen will, weil es mir Angst macht. Die
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