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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut
Autoren: H Dunmore
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zu sich kommen. Zunächst müssen Conor und ich uns eine überzeugende Begründung dafür einfallen lassen, dass sie neben ihrer beschädigten Ausrüstung in Rogers Boot auf dem Boden liegen – eingewickelt in Rettungsdecken und übersät mit blauen Flecken. Außerdem sind wir ihnen eine Erklärung schuldig, warum wir uns ebenfalls an Bord befinden. Sie werden sich sicher daran erinnern, dass sie in der Nähe des Riffs geankert haben, um von dort aus zu tauchen. Dann werden sie bestimmt auch noch wissen, dass sie ohne uns von St Pirans abgelegt haben. Wie sind wir also hierher gekommen?
    Gray und Roger erholen sich schneller, als wir zu hoffen gewagt haben. Eine halbe Stunde nachdem Roger kraftlos meine Hand gedrückt hat, ist er wieder auf den Beinen und gibt Conor Anweisungen, wie das Boot zu handhaben ist.
    Roger kann sich nicht erinnern, was passiert ist. Was ist
schief gelaufen bei ihrem Tauchgang? Wo sind wir auf einmal hergekommen? Roger und Gray betrachten verwirrt ihre blutenden, lädierten Glieder, doch sie erholen sich zusehends und haben jede Menge Fragen. Ich versuche mich an einer Antwort:
    »Conor und ich waren auf den Klippen an der Mündung der Bucht. Ihr wisst ja, dass man von dort aus das Riff erkennen kann. Da wir Dads Fernglas dabeihatten, konnten wir euer Boot ausmachen. Wir haben euch tauchen gesehen. Es ist wirklich ein sehr gutes Fernglas. Conor meinte, wir sollten so lange warten, bis ihr wieder auftaucht. Aber je mehr Zeit verging, ohne dass wir euch zu Gesicht bekamen, desto größer wurden unsere Sorgen. Die Leute sagen ja immer, wie gefährlich es bei den Bawns ist. Als wir uns beinahe sicher waren, dass etwas passiert sein muss, haben wir uns entschlossen … hinauszuschwimmen.«
    »Hinauszuschwimmen?«, wiederholt Roger ungläubig.
    »Ja«, bestätigt Conor. »Wir dachten, dass es zu lange dauert, um Hilfe zu holen.«
    »Ihr seid von den Felsen aus geschwommen? Bis zu meinem Boot? Aber wir haben hinter dem Riff geankert. Ihr könnt doch unmöglich die ganze Strecke geschwommen sein.«
    »Sind wir aber.«
    Roger mustert uns nachdenklich. In seiner Rettungsdeckenrobe sieht er aus wie ein Richter. Langsam schüttelt er den Kopf. Kein Richter würde uns glauben. Auch Roger nicht.
    »Das … das ist doch nicht möglich«, sagt er. Doch ich blicke ihm fest in die Augen. Außerdem ist es nicht einmal gelogen. Wir sind tatsächlich die ganze Strecke geschwommen
– zwar nicht so, wie Roger sich das vorstellt, aber das braucht er ja nicht zu wissen.
    »Mein Gott, was für ein Glück ihr hattet«, sagt er schließlich mit erneutem Kopfschütteln. Er glaubt uns! Er muss uns glauben. Er hat keine Wahl. Wie sollten wir sonst das Boot erreicht haben?
    (Während Roger und Gray immer noch halb bewusstlos waren, haben wir abgesprochen, was wir ihnen sagen wollten. Wie sie am ehesten zu überzeugen wären.
    »Wir müssen sie gar nicht überzeugen, Saph«, flüsterte Conor. »Es spielt doch kaum eine Rolle, wie unglaubwürdig die Geschichte ist. Wenn sie die Wahl zwischen etwas Unglaubwürdigem und etwas Unmöglichem haben, werden sie sich für das Unglaubwürdige entscheiden.«
    »Du meinst, sie können entweder glauben, dass wir sie mithilfe zweier Meerwesen aus Indigo gerettet haben, nachdem sie von den Wächterrobben angegriffen wurden, oder sie können uns abnehmen, dass wir die ganze Strecke zum Boot geschwommen sind, weil wir besorgt um sie waren. Sie werden denken, wir könnten bei den Olympischen Spielen mitmachen. «
    Conor nickte. »Dann müssen sie uns eben für Olympiaschwimmer halten. Pst! Roger schlägt die Augen auf.«)
     
    Jetzt raschelt Rogers Rettungsdeckenrobe, als er von einem zum anderen schaut. »Mein Gott, ihr wisst ja gar nicht, was für ein gewaltiges Glück ihr hattet. Was für eine wahnwitzige Idee. Den ganzen Weg – in dem kalten Wasser. Ihr habt ja nicht mal Neoprenanzüge an. Die Strömungen an dieser Küste sind eine tödliche Gefahr. Ihr hättet das nie riskieren dürfen. Und wenn ihr aufs offene Meer hinausgezogen worden
wärt, was dann? Eure Schutzengel müssen wirklich Überstunden gemacht haben.«
    Was du nicht sagst, Roger, denke ich mit unschuldiger Miene. Du brauchst uns auch nicht zu sagen, wie gefährlich diese Küste ist. Viel gefährlicher, als du glaubst.
    »Wir wissen, wo die Strömungen sind«, sage ich ernst, als sei ich mir unseres Risikos vollauf bewusst gewesen. Auch will ich Roger davon überzeugen, dass wir so vorsichtig waren wie nur irgend
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