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Nixenblut

Nixenblut

Titel: Nixenblut
Autoren: H Dunmore
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Es gibt so viele Dinge, die ich niemand erzählen kann, nicht einmal Conor oder Faro. Und so viele Fragen, die ich gern stellen würde.

    Es ist Conor, dem Roger dankbar sein sollte, nicht mir. Conor war kaum noch in der Lage, sich zu bewegen oder zu atmen – dennoch ist er den Robben gegenübergetreten, um ihn zu retten. Ich weiß nicht, was für eine Magie in Conors Gesang war, doch sie war stark genug, um die Robben zu zähmen. Granny Carne sagte, auch Conor habe ganz besondere Kräfte. Das solle er nicht vergessen. Ich dachte, in Indigo wäre ich stark und Conor schwach, doch er war es, der Roger und Gray gerettet hat. Faro und ich und Elvira haben nur das vollendet, was er begonnen hat.
    Ich habe Faro zweimal gerufen, als ich ihn brauchte. Und beide Male ist er gekommen, um mir zu helfen. Doch er kam nicht, weil ich ihn mit meiner Kraft dazu gezwungen habe, da bin ich ganz sicher. Ich frage mich, woher dieses Gefühl kommt, dass wir beide miteinander verbunden sind. Ich glaube, ihn schon viel länger zu kennen, als es tatsächlich der Fall ist.
    Faro nannte mich »kleine Schwester«. Als ich sagte, ich sei nicht seine Schwester, schien ihm etwas auf der Zunge zu liegen. Schließlich, bevor er uns verließ, hat er mich noch einmal »kleine Schwester« genannt.
    Ich wünschte, ich hätte mich bei ihm bedankt. Und seine Salti waren unglaublich. Ich will auch lernen, wie man einen Salto macht. Vielleicht kann Faro es mir eines Tages beibringen.
    Aber ich will nicht zu viel an Indigo denken. Sobald ich
Indigo zu stark in mein Herz lasse, verdrängt es alles andere. Auch das habe ich gelernt. So ist es dem ersten Mathew Trewhella ergangen, als er der Meerfrau von Zennor folgte und Annie zurückließ, deren Kind ohne Vater aufwuchs.
    Wenn ein Kind geboren wird, denke ich immer, dann geben die Eltern damit ein Versprechen ab, bei ihm zu bleiben. Doch Versprechen können gebrochen werden. Der erste Mathew Trewhella brach sein Versprechen. Ich frage mich, ob er seine Familie wirklich vergessen hat oder ob ihn die Erinnerung sein Leben lang schmerzte.
    Wenn jemand dich plötzlich verlässt, hast du das Gefühl, ein Riss ginge durch dich hindurch oder dir würde etwas fehlen. Seit Dad weg ist, bin ich unvollständig, und auch er ist unvollständig. Doch frage ich mich, ob die beiden Teile noch zusammenpassen, wenn ich ihn gefunden haben werde.
    Und ich werde ihn finden. Das ist mehr als ein Versprechen. Es ist ein Schwur.

Vierundzwanzigstes Kapitel

    E s ist Abend geworden. Ich habe mich entschlossen, den Garten auf Vordermann zu bringen, der seit Dads Verschwinden ziemlich verwahrlost ist. Ich jäte Unkraut, schneide die Sträucher zurück und schichte sämtlichen Gartenabfall zu einem großen Haufen auf. Dad wäre begeistert. Obwohl ich erhitzt bin und schwitzige Hände habe, ist es ein gutes Gefühl. Conor ist mit Mum nach St Pirans gefahren. Doch ich bin gerne zu Hause geblieben, weil … weil etwas Wunderbares geschehen ist. Jemand ist bei mir. Sie liegt auf dem Weg und betrachtet mich mit ihren intelligenten Augen. Hin und wieder steht sie auf, um einen der Millionen Gerüche zu erkunden, die nur ein Hund wahrnimmt.
    Na ja, sie ist noch nicht wirklich mein Hund. Aber ich arbeite daran. Wir haben sie für eine Woche in Pension genommen, weil Jacks Familie im Urlaub ist. Wir prüfen, wie wir mit ihr zurechtkommen.
    »Gibt gleich Abendessen, Sadie.« Sie wedelt mit dem Schwanz. Sie versteht jedes Wort, das ich sage.
    »Was meinst du, Sadie? Wäre Dad nicht sehr zufrieden mit mir?«
    Die Bienen machen sich auf den Heimweg, nachdem sie sich den ganzen Tag in den Blumen aufgehalten haben. Als eine von ihnen meinen Arm streift, frage ich mich, ob sie wohl zu Granny Carnes Bienenstock zurückfliegt. Sie hält
inne und vergräbt sich in einer Löwenmaulblüte, in der ich sie summen und brummen höre. Vielleicht steckt sie fest. Nein, langsam kommt sie wieder zum Vorschein.
    Plötzlich kommt mir eine Idee. Wenn Conor mit dem gesamten Bienenstock geredet hat, vielleicht kann ich mich dann wenigstens mit einer einzelnen Biene unterhalten.
    »Äh, hallo … kannst du mich hören?«
    Doch sobald ich den Mund aufmache, weiß ich, dass es nicht funktionieren wird. Ich habe keines dieser Gefühle in mir, von denen Conor erzählt hat. Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass ich auch nur das kleinste bisschen Erdmagie in mir habe. Die Bienen nehmen einfach keine Notiz von mir, sondern fliegen mit ihren Unmengen von Blütenstaub
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