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Nimm dich in acht

Nimm dich in acht

Titel: Nimm dich in acht
Autoren: Mary Higgins Clark
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verschwand. »Carolyn, ich will eine Antwort. Ist auf dieser Kreuzfahrt irgend etwas geschehen, das ich wissen sollte?«
    Carolyn hatte feuchte Handflächen bekommen. Sie hörte den Vorwurf in seiner Stimme, das Mißtrauen, den Unterton, der das erste Anzeichen eines Wutanfalls war.
    Sie tat seine Frage mit einem Lachen ab und versicherte ihm, daß sie nun wirklich nicht die Zeit habe, tagsüber Radio zu hören. Aber angesichts von Justins nahezu zwanghafter Eifersucht in der Vergangenheit befürchtete sie, daß sie nicht zum letztenmal von dieser Sache gehört hatte. Jetzt wollte sie nur noch diesen Ring und dieses Foto loswerden.
    Der Verkehr war ungewöhnlich dicht, selbst für diese Tageszeit. Von vier bis fünf ist die schlechteste Zeit, um ein Taxi zu bekommen, dachte sie, als sie den Andrang auf die vorbeifahrenden Taxis beobachtete, die aber fast alle schon besetzt signalisierten.
    Auf der Park Avenue mußte sie trotz der auf Grün umspringenden Ampel am äußeren Rand eines Knäuels ungeduldiger Fußgänger warten, da immer noch Pkws und Lieferwagen um die Ecke gebraust kamen. Die Fußgänger haben Vorfahrt, dachte sie.
    In diesem Augenblick bog mit quietschenden Reifen ein Transporter um die Ecke. Instinktiv wollte sie von der Bordsteinkante zurücktreten. Aber sie konnte nicht ausweichen. Jemand stand unmittelbar hinter ihr und versperrte ihr den Weg. Plötzlich spürte sie, wie ihr der Umschlag entrissen wurde, und gleichzeitig versetzte ihr jemand einen Stoß in den Rücken.
    Carolyn stolperte. Sie konnte sich noch halb umdrehen und einen Blick in ein ihr bekanntes Gesicht erhaschen.
    »Nein«, flüsterte sie noch, als sie auch schon das Gleichgewicht verlor und fiel – direkt vor den heranrasenden Transporter.

    9
    Er hatte draußen vor dem Gebäude gewartet, in dem sich Susan Chandlers Praxis befand. Als die Minuten vergingen und sie immer noch nicht auftauchte, durchlief er die ganze Skala der Gefühle von Erleichterung zu Ärger
    – Erleichterung darüber, daß sie nicht kommen würde, und Zorn, weil er soviel Zeit verschwendet hatte und sie jetzt ausfindig machen mußte.
    Zum Glück hatte er ihren Namen behalten und wußte, wo sie wohnte. Er wählte Carolyn Wells’ Nummer und legte auf, als sie sich meldete. Der Instinkt, der ihn all diese Jahre geschützt hatte, warnte ihn, daß immer noch Gefahr von ihr ausging, auch wenn sie den Termin mit Susan Chandler nicht eingehalten hatte.
    Er fuhr zum Metropolitan Museum of Art und setzte sich dort zu der kleinen Gruppe aus Studenten und Touristen, die trotz des Ruhetags hier auf den Stufen ausharrten. Von der Treppe aus hatte er das Apartmenthaus gut im Blick.
    Um vier Uhr wurde seine Geduld belohnt. Der Türsteher hatte die imposante Eingangstür aufgehalten, und sie war mit einem braunen Umschlag unter dem Arm zum Vorschein gekommen.
    Das angenehme Wetter war ein zusätzlicher Vorteil. Auf den Straßen wimmelte es von Passanten. Er konnte dicht hinter ihr gehen und sogar einen Teil der Blockbuchstaben auf dem Umschlag erkennen: DR. SU …
    Natürlich hatte er schon vermutet, daß der Umschlag den Ring und das Foto enthielt, von denen sie in der Sendung gesprochen hatte. Ihm war klar, daß er sie stoppen mußte, bevor sie die Post erreichte. Seine Chance kam an der Ecke Park Avenue und Eighty-first, als frustrierte Autofahrer sich der Vorfahrt der Fußgänger nicht beugen wollten.
    Carolyn hatte sich halb umgedreht, als er ihr den Stoß gab, und ihre Blicke begegneten sich. Sie hatte ihn als Owen Adams kennengelernt, einen britischen Geschäftsmann. Für jene Reise hatte er sich einen Schnauzer und eine rotbraune Perücke zugelegt, und er hatte eine Brille und farbige Kontaktlinsen getragen.
    Dennoch war er sicher, daß unmittelbar vor ihrem Sturz ein Schimmer des Wiedererkennens in ihren Augen aufflammte.
    Mit Befriedigung erinnerte er sich an den Aufschrei der Umstehenden, als ihr Körper unter dem Transporter verschwand. Es war ihm nicht schwergefallen, in der Menge unterzutauchen. Der Umschlag, den sie bei sich gehabt hatte, steckte jetzt unter seiner Jacke.
    Obgleich er seine Neugier kaum bezähmen konnte, wartete er, bis er sicher in seinem Büro war und die Türen verschlossen hatte, bevor er den Umschlag aufriß.
    Der Ring und das Foto steckten in einer Plastikhülle. Sie hatte keinen Brief, keine Notiz beigelegt. Eingehend betrachtete er das Foto und erinnerte sich, wo es aufgenommen worden war – an Bord des Schiffes, im Grand Salon, auf
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