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Nikotin

Nikotin

Titel: Nikotin
Autoren: Agatha Christie
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Vorgefallene niemandem. »Es war sehr betrüblich«, erwiderte er, vorsichtig tastend.
    »Hm… ja, es war recht peinlich«, ergänzte der Arzt, und sekundenlang stahl sich der berufliche Tonfall in seine Stimme.
    Cartwright hielt in seinem Umherwandern plötzlich i n ne. »Hast du je zuvor einen Menschen auf diese Art ste r ben sehen, Tollie?«
    »Nein. Aber ich habe bestimmt nicht so viele Menschen sterben sehen, wie du vielleicht vermutest, Charlie. Ein Nervenarzt doktert seine Patienten nicht zu Tode. Er erhält sie hübsch lebendig und sichert sich dadurch sein Einkommen. MacDougal hat bestimmt an mehr Tote n betten gestanden als ich.«
    »MacDougal hat den Pfarrer nicht sterben sehen. Er war schon tot, als MacDougal eintraf. Er musste sich mit dem zufriedengeben, was wir ihm erzählen konnten. Er sagte, es sei eine Art plötzlicher Anfall gewesen; sagte, Babbington sei nicht mehr der Jüngste gewesen und seine Gesundheit habe zu wünschen übrig gelassen. Aber das befriedigt mich nicht.«
    »Meine Kollegen wahrscheinlich auch nicht«, brummte der andere. »Doch ein Arzt muss irgendetwas sagen. A n fall ist ein gutes Wort – und bedeutet im Grunde nichts, aber genügt dem Laien. Und schließlich war Babbingtons Gesundheit in letzter Zeit tatsächlich angeschlagen; seine Frau erzählte es mir.«
    »War das ein typischer Anfall?«
    »Typisch für was?«
    »Für irgendeine bekannte Krankheit.«
    »Wenn du Medizin studiert hättest, mein Lieber, wü r dest du wissen, dass es kaum so etwas wie einen typ i schen Fall gibt.«
    »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Sir Charles?«, mischte sich nun Mr Satterthwaite ein.
    Cartwright antwortete nicht. Er fuhr vage mit der Hand durch die Luft.
    »Charles weiß es selbst nicht«, meinte Sir Bartholomew leise lächelnd. »Natürlich wendet sich sein Geist dramat i schen Möglichkeiten zu.«
    Der Schauspieler schüttelte geistesabwesend den Kopf.
    Wem ähnelt er nur jetzt?, fragte sich Mr Satterthwaite. Und dann fiel es ihm ein. Aristide Duval, dem Leiter des Geheimdienstes. Aristide Duval, wie er die Fäden einer geheimen Verschwörung entwirrte. Ah! Jetzt machte Sir Charles wieder ein paar Schritte und hinkte unwillkürlich dabei. Aristide Duval war allgemein als Hinkebein b e kannt gewesen.
    »Ja, was argwöhnst du eigentlich, Charles?«, bohrte nun auch Sir Bartholomew. »Selbstmord? Mord? Wer hätte wohl Interesse daran, einen harmlosen, alten Landpfarrer zu ermorden? Hirngespinste. Selbstmord? Das läge alle r dings im Bereich des Möglichen. Vielleicht wusste Ba b bington, dass er an einer unheilbaren Krankheit litt – Krebs zum Beispiel –, und wollte seiner Frau den Anblick qualvollen Hinsiechens ersparen. Natürlich ist das eine völlig unbegründete Vermutung, Charles. Nichts rechtfe r tigt sie.«
    »Ich dachte nicht an Selbstmord«, gestand der Hau s herr.
    »Nein?« Wieder schmunzelte der Arzt. »Du sehnst dich nach Sensation, wie? Ein neues, unaufspürbares Gift in den Cocktails!«
    »Das bestimmt nicht, Tollie. Denk bitte daran, dass ich es war, der die Cocktails mixte.«
    »Na, und? Plötzlich auftretende krankhafte Mordlust, eh? Bei uns zeigen die Vergiftungssymptome sich offe n bar verspätet; aber morgen Früh sind wir bestimmt alle tot.«
    »Verdammt, lass das Scherzen, Tollie!«, sagte Sir Charles barsch.
    »Ich scherze nicht«, sagte der Arzt mit veränderter Stimme. »Jedenfalls nicht über Mr Babbingtons Tod. Und über deine Vermutungen mache ich mich nur lustig, Charles, weil… weil ich nicht will, dass du gedankenlos Schaden stiftest.«
    »Wie bitte?«
    »Begreifst du nicht, wie gefährlich dein unbegründetes Misstrauen ist?«, führte Sir Bartholomew aus. »Eine vage Andeutung über Mord könnte für Mrs Babbington Schmerz und Ungemach nach sich ziehen. Ich habe de r gleichen zweimal erlebt. Ein plötzlicher Tod… ein paar müßige Zungen… Gerüchte entstehen… sie schwellen an, und niemand vermag ihnen Einhalt zu gebieten. Donnerwetter, Charles, siehst du nicht, wie grausam und überflüssig es sein würde?«
    Ein Ausdruck der Unentschlossenheit erschien auf Cartwrights Gesicht.
    »Das hatte ich nicht bedacht.«
    »Du bist eine gute Seele, aber du lässt deine Einbildung mit dir durchgehen, alter Freund. Leg ihr jetzt mal Zügel an und sag, ob du allen Ernstes glaubst, dass jemand, irgendjemand diesem absolut harmlosen, alten Herrn nach dem Leben getrachtet haben könnte?«
    »Eigentlich nicht. Und dennoch… Verzeih, Tollie, mir ist die
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