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Nikotin

Nikotin

Titel: Nikotin
Autoren: Agatha Christie
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Hochland. Er ist vielseitig, wandelbar und geschmeidig, unser Charles!«
    Der Doktor hielt inne. Seine Augen hingen mit einem Ausdruck von Zuneigung und Belustigung an dem nichtsahnenden Mann, der von unten heraufkam. In ein paar Minuten würde er die Terrasse erreicht haben.
    »Doch wir tippten offenbar falsch«, fuhr Sir Barthol o mew fort. »Der Reiz des einfachen Lebens besteht nach wie vor.«
    »Ein Mensch, der sich selbst dramatisiert, wird biswe i len falsch eingeschätzt«, warf Mr Satterthwaite ein. »Man nimmt seine Aufrichtigkeiten nicht ernst.«
    »Ja, das ist wahr.«
    Mit einem fröhlichen Lachen sprang Charles Cartwright die Stufen zur Terrasse empor.
    »Heute übertraf sich die Mirabelle!«, sagte er. »Sie hätten mitkommen sollen, Satterthwaite.«
    Der Angeredete schüttelte den Kopf. Zu oft war er beim Überqueren des Kanals seekrank gewesen, um sich hinsichtlich der Stärke seines Magens irgendwelchen Tä u schungen hinzugeben. Zudem hatte ihn morgens ein Blick aus seinem Schlafzimmer darüber belehrt, dass eine steife Brise wehte. Gott sei Dank, wenn man dann sicher auf dem festen Land saß!
    Sir Charles ging zu der Wohnzimmertür und verlangte etwas zu trinken.
    »Und warum bist du nicht gekommen, Tollie?«, fragte er seinen Freund. »Predigst du nicht deinen Patienten in der Harley Street, wie heilsam das Leben auf den Wogen des Ozeans sei?«
    »Der große Vorteil eines Arztes besteht darin, dass er nicht verpflichtet ist, seine eigenen Ratschläge zu befo l gen.«
    »Oh, du Scheinheiliger« Sir Charles lachte herzhaft. U n bewusst spielte er seine Rolle noch immer – den luft- und windhungrigen Seemann. Er sah ungewöhnlich gut aus, und das leichte Grau an den Schläfen verlieh ihm eine gewisse vornehme Würde. Er sah aus wie das, was er war: in erster Linie ein Gentleman, in zweiter ein Schauspieler.
    »Bist du allein gesegelt?«, erkundigte sich der Doktor.
    »Nein.« Sir Charles drehte sich um und nahm einem a d retten Hausmädchen das verlangte Getränk ab. »Ich hatte eine Gehilfin. Die kleine Egg.«
    Ein Hauch von Befangenheit lag in seiner Stimme und ließ Mr Satterthwaite aufblicken.
    »Miss Lytton Gore?«, fragte er. »Sie versteht etwas vom Segeln, wie?«
    »So viel, dass ich mir neben ihr wie eine stümperhafte Landratte vorkomme«, gestand der Schauspieler. »Aber ich verdanke ihr beträchtliche Fortschritte.«
    Blitzschnell überlegte Mr Satterthwaite. Sollte es Egg Lytton Gore sein, die ihn hier festhält? In seinem Alter – ein gefährliches Alter – ist es immer ein junges Mä d chen…
    »Ach, das Meer!«, schwärmte Sir Charles inzwischen. »Nichts kommt ihm gleich! Sonne und Wind und ein einfaches Häuschen, das einen beim Landen empfängt.«
    Und vergnügt betrachtete er das weiße Gebäude, au s gestattet mit drei Badezimmern, heißem und kaltem Wa s ser in allen Schlafräumen, dem neuesten Zentralheizung s system, den modernsten elektrischen Apparaten und e i nem Stab von zwei Hausmädchen, Köchin und Küche n hilfe. Sir Charles’ Auffassung von einfachem Leben war vielleicht etwas überspannt.
    Jetzt trat eine groß gewachsene, nicht hübsch aussehe n de Frau aus dem Haus.
    »Guten Morgen, Miss Milray.«
    »Guten Morgen, Sir Charles. Guten Morgen.« Dieser zweite Gruß wurde von einem leichten Nicken in Ric h tung der anderen Herren begleitet. »Hier ist das Menü fürs Dinner. Ich möchte wissen, ob Sie irgendwelche Änderungen wünschen.«
    Charles Cartwright nahm das Blatt Papier und murme l te: »Mal sehen, was es gibt. Cantaloupe-Melone; russ i schen Borschtsch; frische Makrelen, Birkhuhn, Soufflé surprise… Nein, daran ist nichts auszusetzen, Miss Mi l ray. Die Gäste treffen mit dem Vier-Uhr-dreißig-Zug ein.«
    »Ich habe bereits die entsprechenden Anweisungen g e geben. Übrigens, Sir Charles, wenn Sie nichts dagegen haben, wäre es besser, wenn ich heute Abend am Dinner teilnähme.«
    Charles Cartwright hob erstaunt den Kopf; dennoch versicherte er höflich: »Famos, Miss Milray. Aber w a rum…«
    »Sonst wären es dreizehn bei Tisch, Sir Charles«, erlä u terte sie, noch ehe er die Frage ausgesprochen hatte. »Und die meisten Leute sind abergläubisch.«
    Aus ihrem Ton konnte man entnehmen, dass Miss Mi l ray sich ohne die leiseste Scheu allabendlich in einer Ru n de von dreizehn niedergelassen hätte.
    »Ich glaube, dass dann alles geregelt ist«, fuhr sie fort. »Holgate hat Anweisung erhalten, Lady Mary und die Babbingtons mit dem Wagen abzuholen.
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