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Nightshifted

Nightshifted

Titel: Nightshifted
Autoren: Cassie Alexander
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daran zu erinnern,
dass die Kaugummis an der Supermarktkasse auch noch für andere gedacht sind.
    Neben mir begann der Gerichtsmediziner mit seiner
Arbeit. Als der Staubsauger ansprang, zuckte ich heftig zusammen, und mir blieb
nur ein kurzer Moment Zeit, um mich zu entscheiden, was ich nun mit der
Taschenuhr anstellen sollte. Ich konnte ihn darauf hinweisen – und dann … was?
Darauf vertrauen, dass der Gerichtsmediziner sie abgab? Der würde sie
wahrscheinlich einfach gegen eine neue Krawattennadel eintauschen. Mr. Novembers
Tod war mein Fehler gewesen, also ruhte die Last, herauszufinden, wem diese Uhr
zu übergeben war, auf meinen Schultern. Ich warf noch einen kurzen Blick auf
Mr. Novembers schwindende Asche und steckte die Uhr kurz entschlossen in die
Tasche meines Kittels, direkt neben die Parfumflaschen.
    Dann wartete ich, bis der Gerichtsmediziner fertig
und Mr. Novembers Asche weggesaugt war. Wahrscheinlich hatte er ungefähr hundert
Jahre lang gelebt, bevor er sich eine Lungenentzündung eingefangen hatte und
mir begegnet war. Die Vorstellung, dass alles schon mit der Lungenentzündung
den Bach runtergegangen wäre, war beruhigend, aber ich kannte die Wahrheit. Mit
einem flauen Gefühl im Magen vervollständigte ich meine Akten und legte den
Papierkram auf dem Tresen vor dem Schwesternzimmer ab.
    Ich musste nicht länger bleiben,
um der Tagesschicht Bericht zu erstatten. Es gibt keinen Bericht, wenn der
Patient tot ist.

Kapitel 4
    Â 
    Ich schalte mein Handy
niemals aus. Nicht einmal, wenn ich nach einer durchgearbeiteten Nacht schlafe.
Ich rede mir gerne ein, dass ich erreichbar sein will, falls das County anruft,
um mir Extraschichten anzubieten. Aber der wahre Grund ist, dass ich Angst
habe, sie könnten mich anrufen, nachdem ich nach Hause gegangen bin, um mir
noch irgendeine wichtige Frage zu stellen oder um mich an etwas zu erinnern,
das ich vergessen oder nicht vermerkt habe. Und/oder um mich zu feuern. Am Telefon.
Ich weiß ja, dass ich manchmal etwas paranoid klinge, aber an diesem Tag kam
mir das plausibel vor.
    Die Ansage auf meiner Mailbox erklärt, dass ich
nachts arbeite und tagsüber schlafe. Jeder, der mich kennt, weiß das. Und
trotzdem gibt es Leute, die nicht von der Schwesternkoordinationsstelle sind
und sich dazu berufen fühlen, mich vor drei Uhr nachmittags anzurufen. Gewisse
Leute halten es sogar für notwendig, mich immer und immer wieder anzurufen, bis
ich endlich drangehe – Vollidioten eben.
    Ich ließ bei drei Anrufen die Mailbox rangehen, gab
dann auf und nahm den vierten an.
    Â»Hallo?«, krächzte ich ins Telefon.
    Â»Edie … Edie, ich brauche Geld.«
    Und schon wusste ich, wer es war. »Nein, Jake.«
    Â»Ach, komm schon, Edie …«
    Â»Ich habe da dieses Ding laufen, nennt sich
Studiendarlehen.« Ich blinzelte unter der Schlafmaske und schob sie mir auf die
Stirn. »Nicht zu vergessen die Steuern. Jede Menge Steuern.«
    Mein Bruder stieß ein genervtes Stöhnen aus. Er hat
keine Ahnung, was ich für ihn getan habe. Wenigstens war es nicht die Station
gewesen, die angerufen hatte, um mir mitzuteilen, dass ich nie wieder reinzukommen
brauchte …
    Die Ereignisse der vergangenen Nacht stürmten wieder
auf mich ein. Jake stellte mir eine Frage, die ich gar nicht hörte, denn meine
gesamte Konzentration richtete sich auf meine linke Hand und den Bluterguss.
Ich hatte einen Patienten getötet. Meinen Patienten. Einen Tageslichtagenten –
aber trotzdem mein Patient. Jegliche Chance auf Schlaf verflog wie kühler
Alkohol auf warmer Haut.
    Â»Edie? Hörst du mir überhaupt zu?«
    Ruckartig streifte ich die Schlafmaske ab. Hatte der
Bluterguss seine Form verändert? Ich konnte mich nicht mehr erinnern. Hastig
lehnte ich mich über die Bettkante und wühlte in den Hinterlassenschaften von
letzter Nacht herum, auf der Suche nach einem Edding. Mr. Novembers Uhr fiel
aus meiner Tasche, gefolgt von ein paar Alkoholtupfern und einem leeren
Fläschchen Heparin.
    Â»Komm schon, Edie …«, fuhr mein Bruder fort und klang
dabei wie jeder andere Patient, den ich jemals behandelt hatte und der angeblich
genau weiß, dass er gegen alles außer Oxycodon »allergisch« ist.
    Â»Ich habe Nein gesagt, Jake. Nein heißt Nein.« Ich
klemmte mir das Telefon zwischen Kinn und Schulter und fuhr die Ränder des
Blutergusses mit dem Edding nach, damit ich später
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