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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland
Autoren: Marcia Muller
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mich auf das zu konzentrieren, was Ned Sanderman sagte.
    Fast drei Stunden saßen wir nun schon
auf den unbequemen Stühlen in diesem gemieteten Wohnwagen, und er hatte fast
die ganze Zeit nonstop geredet. Im Moment ging es darum, welche Verluste es für
Transpacific bedeuten würde, wenn es den Umweltschützern gelänge, die Vergabe
der endgültigen Schürfrechte zu blockieren. Das wären die Kosten für das Land,
für Kapitalerhöhungen und die bis dahin angefallenen Ausgaben für
Probebohrungen, meinte Ripinsky ein wenig ärgerlich. Nein, widersprach ihm
Sanderman, es kämen noch Verwaltungs- und Gerichtskosten hinzu, außerdem
möglicherweise Profitverluste. Der Wert einer Goldmine, sagte er, messe sich am
Wert des Goldes, abzüglich der zuvor genannten Aufwendungen. Dann belegte er
seine Ausführungen mit Beispielen, die er seinem Computer entlockt hatte. (»Den
habe ich überall bei mir«, hatte er mich — ungefragt — wissen lassen.)
    Ned Sanderman gehörte zu der neuen
Generation von Umweltschützern: logisch denkend, nicht emotional, mit der
neuesten Technologie ausgerüstet und mit einem Blick für das Wesentliche. Auch
das hatte er mir erzählt nebst dem größten Teil seiner Lebensgeschichte, und
das alles in den ersten zehn Minuten unserer Bekanntschaft. Über Ned Sanderman
wußte ich so mehr als über manche meiner eigenen Verwandten, und in erster
Linie wußte ich, daß er langweilig war.
    Klein und schmächtig, mit
glattrasiertem Babygesicht und blonden Haaren, die so drapiert waren, daß sie
eine kahle Stelle auf dem Kopf verbargen, hatte er mich doch mit der Enthüllung
überrascht, daß er sechsundvierzig war. »Meine Midlife-crisis hatte ich vor
sieben Jahren mit neununddreißig«, sagte er. »Ich habe Computer gebaut im
Silicon Valley. Eines Tages wachte ich dann auf und merkte, daß es noch mehr im
Leben gab, als einen Berg Aktien anzuhäufen und teure Spielsachen zu kaufen.
Ich hatte meine Karriere gemacht, und nun brauchte ich mehr Sinn in meinem
Leben. Ich brauchte einen Basisbezug zu den Ergebnissen meiner Arbeit.«
    »Und so machte er sich auf und ging zu
den Umweltschützern wie andere Leute zum Zirkus«, war Anne-Maries Kommentar
gewesen.
    Sanderman hatte ihr einen verwirrten
Blick zugeworfen. Er war ein absolut humorloser Mensch, und da er den Verdacht
hatte, diese Bemerkung könnte lustig gemeint sein, wußte er offensichtlich
nicht, was er damit anfangen sollte. Ebenso offensichtlich war seine gewaltige
Egozentrik. Die einzige Frage, die er mir gestellt hatte, war, ob ich mit der
Hütte in der Feriensiedlung zufrieden sei. Auf meine Antwort, sie sei nett,
hatte er dann geringschätzig die Mängel aufgezählt. Vor allem die Küche hatte
es ihm angetan. »Ich würde mir dort nicht einmal Wasser heiß machen. Gott weiß,
was für Bazillen da überall auf der Lauer liegen«, klagte er.
    Inzwischen war er irgendwie beim Zyanid
angelangt, das durch das Auswaschen frei werde, und so leierte er die Gefahren
für die Umwelt herunter. Was das im einzelnen bedeutete — vergiftete Fische,
Vögel und sonstiges Wild, ganz zu schweigen vom ungenießbaren Wasser und der
verpesteten Luft — , war entsetzlich genug, aber das hatten wir schon alles
durchgenommen. Es war wenigstens sein zwölfter Versuch, das Ganze
durchzuhecheln. Bis zum fünften oder sechsten hatten Anne-Marie und Ripinsky
probiert, ihn wieder auf das Thema unserer Besprechung zu bringen. Doch
schließlich hatten sie es aufgegeben.
    Ich sah Anne-Marie an. Sie hatte einen
glasigen Blick bekommen. Ripinsky saß nach hinten gekippt in seinem Sessel, die
Füße auf einem der billigen Metallschreibtische, und starrte zur Decke. Seinem
Gesichtsausdruck nach streifte sein Geist irgendwo draußen durch die
Stratosphäre. Ich ruckte ungemütlich auf meinem Sessel hin und her und gähnte
diskret.
    Ripinskys Blick wanderte von der Decke
zu mir. Er grinste, zwinkerte und nahm die Füße vom Schreibtisch. Vielleicht
hatten seine Gedanken doch nicht Meilen über der Erde geschwebt.
    »Die Zeit ist um, Ned«, sagte er. »Ich
muß euch allen noch ein paar Dinge sagen.«
    Sanderman sah ihn verstört an und
runzelte die Stirn. Er machte den Mund auf, schloß ihn wieder und verschränkte
die Arme. Ich hatte den Eindruck, daß Ripinsky ihn schon oft so unterbrochen
hatte — und noch um einiges abrupter.
    Mit einem Kopfnicken in Richtung
Anne-Marie fuhr Ripinsky fort: »Als du hereinkamst, wolltest du von mir etwas
über den Besuch wissen, den
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