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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland
Autoren: Marcia Muller
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Sie stieg aus und
sagte: »Tut mir leid, daß Ned sich so benommen hat. Ich glaube, er wollte
vorführen, daß er die Situation voll im Griff hat und dich eigentlich gar nicht
braucht.«
    »Ich nehme an, er wollte niemanden von
draußen dabeihaben.«
    »Dazu wäre es auch nicht gekommen, wenn
Hy es nicht gewollt hätte.«
    »Haben die beiden etwas gegeneinander?«
    Sie holte eine kleine Taschenlampe aus
der Tasche und leuchtete damit den Weg zur Hütte ab. »Eher so etwas wie
Konkurrenzgefühle, zumindest bei Ned. Anfangs war er sehr höflich ihm
gegenüber, aber jetzt ist ihr Verhältnis ziemlich gespannt. Die letzte halbe
Stunde konnte ich nur noch denken, wie gern ich jetzt hinausgehen und einen
Brandy trinken würde. Zum Glück habe ich einen in der Hütte. Kommst du mit auf
einen Schlummertrunk?«
    »Aber gern.«
    Wir stiegen die Stufen zur Veranda
hinauf. Sie schloß auf, griff durch den Türspalt und schaltete eine Deckenlampe
an — zwei nackte Birnen, die an einem hufeisenförmigen Gestell aus getriebenem
Metall hingen. Sie verbreiteten ein grelles Licht, das die offensichtlichen
Mängel des Raums noch betonte.
    »Au weh«, sagte sie und knipste eine
Tischlampe an. »Machst du bitte das Deckenlicht aus? Der Brandy ist im
Küchenschrank rechts von der Spüle. Ich bringe den Holzofen in Gang — es ist kalt hier.«
    Ich tat, worum sie mich bat, und ging
dann durch die Schwingtür in die Küche. Das Licht über der Spüle ließ sich über
eine Zugkette einschalten. Die Küchenschränke waren aus ästigem Kiefernholz.
Der Boden war mit abgetretenem grünem Linoleum ausgelegt, die häßlich
orangefarbenen Kacheln der Küchenbar hatten zahllose Sprünge. Die Küchengeräte
waren so alt wie im All Souls — fünfziger Jahre. Trotz allem, wenn Sandermans
Küche so sauber war wie diese, mußte ich seine Behauptung von den
herumwimmelnden Bazillen doch sehr in Frage stellen. Wahrscheinlich waren seine
Klagen nur noch ein Symptom dafür, wie unglücklich er sich hier fühlte.
    Ich fand den Brandy und zwei Gläser,
die aussahen, als wären ursprünglich Oliven oder Maraschino-Kirschen darin
gewesen, und trug sie ins Wohnzimmer. Anne-Marie stand mit dem Rücken zu mir an
einem der Fenster, die zur Veranda gingen. Sie drehte sich halb zu mir um, und
ich sah, daß ihr Gesicht wie erstarrt war.
    Ich stellte Flasche und Gläser schnell
auf den Kaffeetisch. »Was ist passiert?«
    »Das Fenster. Deswegen ist es so kalt
hier.«
    »Oh, das tut mir leid. Ich hatte es
geöffnet und vergessen, wieder zuzumachen, als ich ging.«
    »Aber das Fliegenfenster hast du doch
nicht abgenommen, oder?« Sie zeigte auf die Stelle, wo es eigentlich eingehakt
sein sollte. Der Haken hing noch in der Öse. Er war vom Rahmen des
Fliegengitters abgerissen.
    Sie wollte noch etwas sagen, aber ich
hob die Hand und lauschte. In der Hütte war es völlig still — doch solche
Stille kann täuschen. Ich ging zum Ofen, griff nach dem Schürhaken und ging zu
den Schlafzimmern.
    Ich schob den Vorhang zum Gang
beiseite, der in mein Zimmer führte. Nichts außer der billigen Ahornkommode und
dem Nachtschrank zwischen den beiden Betten. Einen Schrank gab es nicht, in dem
sich jemand hätte verstecken können. Meine Wochenend-Reisetasche stand auf der Kommode.
Ich warf einen Blick auf sie, als ich auf das Badezimmer zwischen meinem und
Anne-Maries Zimmer zuging. Die Tasche sah so aus, wie ich sie zurückgelassen
hatte.
    Ich griff ins Badezimmer und schaltete
das Licht ein. Stieß die Tür auf, den Schürhaken schlagbereit in der Hand.
Wieder nichts — nur das angeschlagene weiße Porzellan der
Badezimmereinrichtung. Ich wiederholte mein Manöver an der Tür gegenüber. Nur
Anne-Maries ordentlich gemachtes Bett, ihre sorgfältig zusammengelegten Kleider
und ihre Kosmetika begrüßten mich.
    Ich ging zurück ins Wohnzimmer und
legte den Schürhaken zurück, ein wenig verlegen über mein theatralisches
Herumfuchteln damit. Anne-Marie stand noch immer am Fenster. Sie sagte: »Noch
ein Einbruch.«
    »Sieht so aus.« Ich ging zur Tür und
trat auf die Veranda hinaus. Das fehlende Fliegengitter lehnte am Geländer.
    Durch das offene Fenster sagte sie:
»Ich frage mich, warum er das Gitter nicht wieder angebracht hat, damit es
nicht auffällt.«
    »Entweder ist es ihm egal, ob wir es
merken, oder es hat ihn etwas vertrieben.«
    »Hat er etwas mitgehen lassen?«
    »Ich glaube nicht. Aber wir sollten
besser beide nachschauen.«
    Ich befestigte das Gitter wieder, so
gut
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