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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil
Autoren: Selma Lagerloef
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nie geglaubt hätte, daß du es seiest.« – »Ich weiß sehr wohl, daß ich hier zu
     Hause einen schlechten Ruf hinterlassen habe,« sagte der Junge. »Meine eigene Mutter glaubt, daß ich mich als Dieb weggeschlichen
     habe, aber das ist jetzt einerlei, denn ich bleibe nicht lange zu Hause. Eheich gehe, möchte ich aber doch gern wissen, was dir eigentlich fehlt.«
    »Schade, daß du nicht hier bleibst,« sagte das Pferd, »denn ich bin überzeugt, du und ich, wir wären gute Freunde geworden.
     Mir fehlt nichts weiter, als daß ich mir etwas in den Fuß hineingetreten habe, eine Messerspitze oder was es sonst sein mag.
     Das sitzt so gut verborgen, daß der Doktor es nicht hat finden können, aber es sticht und sticht, so daß ich fast nicht auftreten
     kann. Wenn du Holger Nielsen nur erzählen wolltest, was mir fehlt, so glaube ich, daß er mir leicht helfen könnte. Ich möchte
     so gern für mein Futter arbeiten. Ich schäme mich so, daß ich dastehe und fresse, ohne das Geringste zu leisten.«
    »Gut, daß du keine eigentliche Krankheit hast,« sagte der Junge. »Ich will sehen, ob ich nicht dafür sorgen kann, daß du kuriert
     wirst. Es tut dir wohl nicht weh, wenn ich mit meinem Messer etwas in deinen Huf ritze?«
    Niels Holgersen war gerade mit dem Pferd fertig geworden, als er draußen auf dem Hof Stimmen vernahm. Er öffnete die Stalltür
     ein klein wenig und sah hinaus. Es waren sein Vater und seine Mutter, die von der Landstraße her auf das Haus zukamen. Man
     konnte ihnen ansehen, daß sie von Sorgen niedergedrückt waren. Seine Mutter hatte viel mehr Runzeln bekommen, als sie früher
     gehabt hatte, und das Haar des Vaters war grau geworden. Die Mutter redete dem Vater zu, sich Geld von seinem Bruder zu leihen.
     »Nein, ich will nicht noch mehr Geld leihen,« sagte der Vater, gerade als sie am Stall vorübergingen. »Schulden sind das Schlimmste
     von allem. Dann müssen wir lieber das Haus verkaufen.« –»Ich hätte auch nichts dagegen, daß wir uns von dem Hause trennten, wenn es nicht des Jungen wegen wäre. Aber was soll er
     anfangen, wenn er eines Tages arm und elend, wie er natürlich ist, zurückkehrt, und wir dann nicht hier sind?« – »Ja, darin
     hast du recht,« sagte der Vater, »wir müßten dann die Leute, die hier nach uns wohnen, bitten, sich seiner anzunehmen und
     ihm zu sagen, daß wir ihn erwarten. Er soll kein böses Wort von uns hören, wie er auch sein mag. Nicht wahr, Mutter!« – »Ach
     nein, nein! Hätte ich ihn nur wieder daheim, so daß ich wüßte, er triebe sich nicht hungrig und frierend auf der Landstraße
     herum, dann könnte alles andere einerlei sein.«
    Als sein Vater und seine Mutter das gesagt hatten, gingen sie ins Haus, und Niels konnte nichts mehr von ihrer Unterhaltung
     hören. Er war sehr glücklich und tief gerührt, als er hörte, daß sie ihn so lieb hatten, obwohl sie glaubten, er sei ganz
     vor die Hunde gegangen. Am liebsten wäre er gleich zu ihnen gelaufen. »Aber wenn sie mich so sehen, wie ich jetzt bin, würden
     sie vielleicht noch betrübter werden,« dachte er.
    Während er noch dastand und überlegte, hielt ein Wagen am Zaun. Der Junge hätte beinahe laut aufgeschrien vor Überraschung;
     denn niemand anders als das Gänsemädchen Aase und ihr Vater stiegen aus und kamen auf den Hof gegangen. Hand in Hand schritten
     sie dem Hause zu; sie kamen so still und ernsthaft daher, aber ein schöner Schimmer von Glück strahlte aus ihren Augen. Als
     sie ungefähr mitten auf dem Hofe waren, hielt Aase ihren Vater zurück und sagte zu ihm: »Vergiß nun auch nicht,Vater, daß du kein Wort von dem Holzschuh oder den Gänsen oder dem kleinen Wicht sagst, der Niels Holgersen so ähnlich sah,
     daß, wenn er es nicht selbst gewesen ist, es einer sein muß, der etwas mit ihm zu schaffen hat.« – »Nein,« sagte Jon Assarson,
     »nein, ich sage natürlich nichts weiter, als daß ihr Sohn dir mehrmals große Hilfe geleistet hat, als du umherwandertest und
     nach mir suchtest, und daß wir gekommen sind, um zu fragen, ob wir ihnen dafür nicht auch einen Dienst erweisen können, jetzt,
     wo ich ein wohlhabender Mann geworden bin und mehr habe, als ich gebrauchen kann, seit ich die Grube da oben fand.« – »Ja,
     ich weiß sehr wohl, daß du dich gut ausdrücken kannst,« sagte Aase. »Ich meinte ja auch nur, daß du dies nicht sagen solltest.«
    Sie gingen ins Haus, und der Junge hätte schrecklich gern gehört, worüber sie da drinnen
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