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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil
Autoren: Selma Lagerloef
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als wenn wir uns nie wiedersehen sollten,« sagte Akka, »und morgen früh treffen wir
     uns doch! Jetzt fliege ich zu meiner Schar zurück.« Sie hob die Flügel, kam aber wieder zurück, strich ein paarmal mit dem
     Schnabel an Däumling auf und nieder und flog dann schließlich davon.
    Es war Heller Tag, aber auf dem Hofe war kein Mensch zu sehen, so konnte der Junge gehen, wohin er wollte. Er eilte nach dem
     Kuhstall, denn er wußte, daß er bei den Kühen am besten Auskunft erhalten konnte. Es sah traurig aus dadrinnen. Im Frühling
     waren da drei prächtige Kühe gewesen, aber nun stand nur noch eine einzige da. Es war Mairose und man konnte ihr ansehen,
     daß sie sich nach ihren Kameraden sehnte. Sie ließ den Kopf hängen und hatte kaum ein Hälmchen von dem Futter angerührt, das
     vor ihr lag.
    »Guten Tag, Mairose!« sagte der Junge und sprang ohne Angst zu ihr in den Stand hinein. »Wie geht es Vater und Mutter? Was
     machen die Katze und die Gänse und die Hühner, und wo hast du Stern und Goldlilie gelassen?«
    Als Mairose die Stimme des Jungen hörte, fuhr sie zusammen, und es sah so aus, als habe sie Lust, mit den Hörnern nach ihm
     zu stoßen. Aber sie war nicht mehr so hitzig wie früher, sondern ließ sich Zeit, Niels Holgersen zu betrachten, ehe sie ihn
     auf die Hörner nahm. Er war noch ebenso klein wie bei seiner Abreise, und er hatte denselben Anzug an wie bei seiner Abreise,
     aber er sah trotzdem ganz anders aus. Der Niels Holgersen, der im Frühling von dannen gezogen war, hatte einen schweren undlangsamen Gang, seine Stimme war träge und seine Augen waren schläfrig, der Niels Holgersen aber, der wiederkam, war leicht
     und geschmeidig, flink in seiner Rede, und hatte ein Paar Augen, die leuchteten und glänzten. Seine Haltung war so keck, daß
     man unwillkürlich Respekt vor ihm bekommen mußte, so klein er war. Und obwohl er selbst nicht gerade glücklich aussah, wurde
     man froh, wenn man ihn nur ansah.
    »Muh!« brüllte Mairose. »Sie haben ja freilich gesagt, er wäre anders geworden, aber ich wollte es nicht glauben. Willkommen
     daheim, Niels Holgersen, willkommen daheim! Dies ist die erste frohe Stunde, die ich seit langen Zeiten gehabt habe!« – »Hab'
     Dank, Mairose!« sagte der Junge, froh überrascht durch den freundlichen Empfang. »Erzähle mir jetzt, wie es Vater und Mutter
     geht!«
    »Die haben nur Sorgen und Unglück gehabt, seit du davongegangen bist,« sagte Mairose. »Das Allerschlimmste war das teure Pferd,
     das den ganzen Sommer hier gestanden und nichts weiter getan hat als fressen. Dein Vater kann sich nicht entschließen, es
     zu erschießen, und verkaufen kann er es nicht. Das Pferd ist schuld daran, daß Stern und Goldlilie verkauft werden mußten.«
    Der Junge wollte eigentlich etwas ganz anderes wissen, aber er scheute sich, geradeheraus zu fragen. Deswegen sagte er: »Mutter
     war wohl nicht sehr ärgerlich, als sie sah, daß der Gänserich Martin davonflog?«
    »Ich glaube, sie hatte sich die Sache mit dem Gänserich nicht so zu Herzen genommen, wenn sie gewußt hätte, wie es kam, daß
     er davonflog. Jetzt trauert sie Tag undNacht darüber, daß ihr eigener Sohn sich von Hause fortgeschlichen und den Gänserich mitgenommen hat.«
    »Sie glaubt also, daß ich den Gänserich gestohlen habe?« fragte der Junge. – »Was sollte sie sonst wohl glauben?« – »Vater
     und Mutter glauben wohl, daß ich mich diesen Sommer wie ein Landstreicher umhergetrieben habe?« – »Sie denken, daß es schlimm
     mit dir steht,« antwortete Mairose. »Und sie haben über dich getrauert, wie man trauert, wenn man das Liebste verliert, was
     man besitzt.«
    Als der Junge dies hörte, ging er schnell aus dem Kuhstall und begab sich in den Pferdestall. Der war klein aber zierlich.
     Man konnte deutlich sehen, daß Holger Nielsen sich alle erdenkliche Mühe gegeben hatte, um ihn so einzurichten, daß das neuangekommene
     Pferd sich wohl dort fühlen sollte. Und da stand ein wunderschönes Pferd, das förmlich von Wohlsein glänzte.
    »Willkommen im Stall!« sagte der Junge. »Ich habe gehört, daß hier ein krankes Pferd sein soll, aber das kannst du doch nicht
     sein, so frisch und gesund, wie du aussiehst!« Das Pferd wandte den Kopf um und sah den Jungen aufmerksam an. »Bist du der
     Sohn des Hauses?« fragte es. »Von dem habe ich soviel Schlimmes gehört. Aber du siehst so gut aus, daß, wenn ich nicht wüßte,
     er sei in ein Heinzelmännchen verwandelt, ich
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