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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil
Autoren: Selma Lagerloef
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sich rund um ihn herum auf und schrie: »Gut, gut, gut, das ist gut genug für dich!«
    Der Junge versuchte zu entkommen, aber die Hühner liefen ihm nach und schrien, so daß die Ohren ihm beinahe abgefallen wären.
     Er wäre ihnen wohl nie entronnen, wenn nicht die Hauskatze des Weges gekommen wäre. Sobald die Hühner die Katze sahen, schwiegen
     sie still und taten so, als dächten sie an nichts weiter, als nach Würmern in der Erde zu scharren.
    Der Junge lief schnell zu der Katze hin. »Liebe kleine Miez,« sagte er »du kennst ja alle Winkel und Schlupflöcher hier auf
     dem Hofe? Willst du mir nicht erzählen, wo ich den Kobold finden kann?«
    Die Katze antwortete nicht sogleich. Sie setzte sich hin, legte den Schwanz hübsch in einen Kranz vor ihre Pfoten und starrte
     den Jungen an. Es war eine große, schwarze Katze mit einem weißen Fleck auf der Brust. Ihr Haar war glatt und glänzend im
     Sonnenschein. Die Krallen hatte sie eingezogen, und die Augen waren ganz grau bis auf einen kleinen schmalenSpalt in der Mitte. Die Katze sah aus wie die personifizierte Frömmigkeit.
    »Ich weiß recht gut, wo der Kobold wohnt,« sagte sie mit sanfter Stimme, »aber darum ist es nicht gesagt, daß ich es dir erzählen
     will.«
    »Liebe Miez, du mußt mir wirklich helfen,« sagte der Junge. »Siehst du denn nicht, daß er mich verhext hat?«
    Die Katze öffnete die Augen ein wenig weiter, so daß die grüne Bosheit herauszulugen begann. Sie spann und schnurrte vor Wohlbehagen,
     ehe sie antwortete: »Soll ich dir vielleicht helfen, weil du mich so oft am Schwanz gezogen hast,« sagte sie schließlich.
    Da wurde der Junge wütend und vergaß ganz, wie klein und machtlos er war. »Ich kann dich noch einmal am Schwanz ziehen!« sagte
     er und fuhr auf die Katze los.
    Im selben Augenblick war die Katze so verändert, daß der Junge kaum glauben konnte, es sei dasselbe Tier. Jedes Haar auf ihrem
     Leibe sträubte sich. Der Rücken krümmte sich, die Beine streckten sich, die Krallen kratzten in der Erde, der Schwanz wurde
     kurz und dick, die Ohren legten sich zurück, der Mund fauchte, die Augen standen weit offen und funkelten wie glühende Kohlen.
    Der Junge wollte sich nicht von einer Katze bange machen lassen, sondern ging noch einen Schritt vor. Aber da fuhr die Katze
     mit einem Sprung gerade auf den Jungen los, warf ihn um und stellte sich über ihn,die Vorderpfoten auf seiner Brust und den Rachen über seiner Kehle.
    Der Junge fühlte, daß die Krallen ihm durch die Weste und das Hemd in die Haut drangen, während die scharfen Eckzähne seine
     Kehle kitzelten. Er schrie aus Leibeskräften um Hilfe.
    Aber es kam niemand, und er glaubte bestimmt, daß seine letzte Stunde geschlagen habe. Da merkte er, daß die Katze die Krallen
     einzog und seine Kehle freigab.
    »So,« sagte sie, »jetzt mag es genug sein. Diesmal will ich dich um meiner Hausmutter willen loslassen. Ich wollte nur, daß
     du wissen solltest, wer von uns beiden jetzt der Stärkere ist.«
    Damit ging die Katze ihrer Wege und sah ebenso glatt und fromm aus wie vorher, als sie kam. Der Junge war so verlegen, daß
     er kein Wort sagte, sondern sich nur beeilte, in den Kuhstall hineinzukommen, um nach dem Kobold zu suchen.
    Da waren nicht mehr als drei Kühe. Aber als der Knabe in den Stall hineinkam, entstand ein Brüllen und Lärmen, so daß man
     gern hätte glauben können, da wären wenigstens dreißig.
    »Muh, muh, muh!« brüllte Mairose. »Es ist nur gut, daß es noch Gerechtigkeit in der Welt gibt!«
    »Muh, muh, muh!« stimmten sie alle drei ein. Er konnte nicht hören, was sie sagten, so riefen sie durcheinander.
    Der Junge wollte nach dem Kobold fragen, aber er konnte sich kein Gehör verschaffen, weil die Kühe so loslegten. Sie benahmen
     sich so, wie sie zu tun pflegten,wenn er einen fremden Hund zu ihnen einließ. Sie schlugen mit den Hinterbeinen aus, rissen und zerrten an ihren Halsketten,
     drehten die Köpfe nach außen und stießen mit den Hörnern nach ihm.
    »Komm du bloß heran!« sagte Mairose, »dann will ich dir einen Stoß versetzen, den du so bald nicht wieder vergißt!«
    »Komm hierher,« sagte Goldlilie, »dann sollst du Erlaubnis haben, auf meinen Hörnern zu tanzen!«
    »Komm nur her, dann sollst du fühlen, wie es schmeckte, wenn du mit deinen Holzschuhen nach mir warfst, wie du es diesen Sommer
     so oft getan hast!« brüllte Stern.
    »Komm nur her, dann will ich dir die Bremse heimzahlen, die du mir ins Ohr gesetzt
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