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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil
Autoren: Selma Lagerloef
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Kaffeekessel, die auf einem Gesims neben dem Feuerherd
     standen, nach dem Wassereimer an der Tür hinüber und nach den Kellen und Messern und Gabeln und Schüsseln und Tellern, die
     er durch die halbgeöffnete Schranktür sehen konnte. Er guckte zu des Vaters Flinte hinauf, die an der Wand neben den Bildern
     der dänischen Königsfamilie hing, und zu den Pelargonien und Fuchsien hinüber, die im Fenster blühten. Schließlich fiel sein
     Blick auf einen alten Fliegenfänger, der im Fensterrahmen hing.
    Kaum hatte er den Fliegenfänger erblickt, als er ihn ergriff und hinlief und ihn am Rande der Truhe entlangschwenkte. Und
     er war selbst erstaunt über sein Glück. Er begriff kaum, wie es zugegangen war, aber er hatte den Kobold wirklich gefangen.
     Der Ärmste lag auf dem Grunde des tiefen Fliegenfängers, den Kopf nach unten und konnte nicht in die Höhe kommen.
    Im ersten Augenblick wußte der Junge gar nicht, was er mit seinem Fang machen sollte. Er sorgte nur dafür, den Fliegenfänger
     hin und her zu schwingen, damit der Kobold keine Gelegenheit fand, hinaufzuklettern.
    Der Kobold begann zu sprechen und bat so flehentlich, in Freiheit gesetzt zu werden. Er sagte, er habe ihnen seit vielen
     Jahren Gutes getan und verdiene eine bessere Behandlung. Wenn der Junge ihn nun freiließ, wollte er ihm einen alten Speziestaler,
     einen silbernen Löffel und ein Geldstück schenken, das so groß sei wie der Deckel von seines Vaters silberner Uhr.
    Der Junge fand ja gerade nicht, daß dies ein großes Anerbieten war, aber seit er den Kobold in seiner Macht hatte, war er
     bange vor ihm geworden. Er merkte, daß er sich auf etwas eingelassen hatte, was fremd und unheimlich war und daher nicht zu
     seiner Welt gehörte, und er freute sich nur, ihn loszuwerden.
    Deswegen schlug er sofort ein und hielt den Fliegenfänger still, damit der Kobold herauskommen konnte. Aber als der Kobold
     beinahe oben war, fiel dem Jungen ein, daß er sich größere Reichtümer und alle möglichen Herrlichkeiten hätte ausbedingen
     sollen. Zum mindesten hätte er die Bedingung stellen sollen, daß ihm der Kobold die Predigt in den Kopf hineingehext hätte.
     »Wie dumm war ich, daß ich ihn losließ,« dachte er und fing an, den Fliegenfänger zu schütteln, damit der Kobold wieder hinunterfallen
     sollte.
    Aber im selben Augenblick, als der Junge das tat, bekam er eine so gewaltige Ohrfeige, daß er glaubte, sein Kopf müßte zerspringen.
     Er flog erst nach der einen Wand hinüber und dann nach der andern, schließlich fiel er auf dem Fußboden um, und dort blieb
     er besinnungslos liegen.
    Als er wieder erwachte, war er allein in der Stube.Von dem Kobold war keine Spur zu sehen. Der Deckel der Truhe war geschlossen, und der Fliegenfänger hing an seinem gewohnten
     Platz am Fenster. Hätte er nicht gefühlt, wie seine rechte Wange infolge der Ohrfeige brannte, so hätte er versucht sein können
     zu glauben, daß das Ganze ein Traum gewesen. »Aber Vater und Mutter werden doch behaupten, daß es nichts weiter gewesen ist,«
     dachte er. »Die ziehen aus Rücksicht auf den Kobold gewiß nichts ab. Es wird wohl am besten sein, wenn ich mich wieder hinsetze
     und lese.«
    Aber als er an den Tisch herantrat, entdeckte er etwas Wunderliches. Es war doch unmöglich, daß die Stube größer geworden
     war. Woher konnte es denn aber nur kommen, daß er viel mehr Schritte machen mußte als sonst, um an den Tisch zu gelangen?
     Und was war denn in den Stuhl gefahren? Er sah nicht aus, als wenn er größer wäre als früher, aber er mußte erst auf die Sprosse
     zwischen den Stuhlbeinen steigen und dann klettern, um auf den Sitz zu gelangen. Und ebenso war es mit dem Tisch. Er konnte
     nicht über die Tischplatte sehen, ohne auf die Stuhllehne zu klettern.
    »Was in aller Welt ist das nur?« sagte der Junge. »Der Kobold wird doch nicht den Lehnstuhl und den Tisch und auch das ganze
     Haus verhext haben!«
    Die Postille lag auf dem Tisch, und sie sah so aus wie früher, aber auch damit mußte etwas nicht in der Ordnung sein, denn
     er konnte nicht dazu kommen, ein Wort zu lesen, ohne daß er geradezu mitten auf dem Buch stand.
    Er las einige Zeilen, aber dann sah er zufällig auf. Dabei fiel sein Auge in den Spiegel, und da rief er plötzlich ganz laut:
     »Aber da ist ja noch einer!«
    Denn im Spiegel sah er ganz deutlich einen winzig kleinen Burschen in Zipfelmütze und Lederhose.
    »Der ist ja genau so gekleidet wie ich,« sagte der Junge und
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