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Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Niederschlag - ein Wyatt-Roman

Titel: Niederschlag - ein Wyatt-Roman
Autoren: PULP MASTER Frank Nowatzki Verlag GbR
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Ballen Cannabis von einer Hochseeyacht abholte, aber man solle sich nicht täuschen, dass er sich nicht doch so seine Gedanken machte.
    Steer blickte nach hinten. Im Licht der Nachmittagssonne trat die Küstenlinie von Victoria mehr und mehr zurück. Sie hatten weiterhin schwere See zu erwarten. Das war nicht tragisch, Steer hatte in seinem Leben Schlimmeres erlebt. Laut Quincy gab es keine Sturmwarnungen, es war nur stärkerer Wellengang, doch Raymond, diesem Bubi, war es auf den Magen geschlagen. Steer lächelte wieder.
    Quincy fing seinen Blick auf und zwinkerte ihm zu. Skurril. Steer nickte. Quincy war kein Mann, der sich rasierte oder oft die Kleidung wechselte. Steer hatte eine Menge Zeit im Knast verbracht, eine Menge Zeit in beengten Verhältnissen, und ein Mann lernt schnell, Sauberkeit zu schätzen. Man übte wenig Toleranz gegenüber Mithäftlingen, die sich nicht wuschen, die sich gehen ließen. Zum Glück stand Quincy in Windrichtung, noch dazu im Ruderhaus. Steer umfing Quincys dreckstarrenden Overall mit einem Blick, die Frotteemütze, seine tumben Augen in einem Nest aus Krähenfüßen, drehte sich um und wandte sich wieder seinen Betrachtungen über das Meer und das Schicksal zu.
    Der Schatz könnte ein Bonus sein, sofern er überhaupt existierte. Er würde die zweihundert Riesen aufstocken, die — Wunder über Wunder — tatsächlich in Chaffeys Safe gelegen hatten. Steer war überzeugt gewesen, dass sie sich in Nichts aufgelöst hatten, da er davon ausgegangen war, das Chaffey und Raymond gemeinsame Sache gegen ihn und Denise gemacht hatten.
    Plötzlich stand Quincy hinter ihm. »Haben Sie zufällig was zu rauchen dabei?«
    Unwillkürlich blickte Steer an Quincy vorbei, hinüber zum Ruderhaus.
    Â»Keine Sorge wegen der alten Lady«, sagte Quincy. »Ich habe sie auf Kurs gebracht und sie wird mehr oder weniger auf Kurs bleiben. Ich meine, was soll uns da draußen drohen? Ein Eisberg? Ein Atom-U-Boot?«
    Tief aus Quincys Brustkorb entrangen sich gurgelnde Laute und Steer realisierte, dass der Mann lachte. Er zuckte zurück, ging einige Schritte rückwärts, doch Quincy folgte ihm. Quincy war aufdringlich. Eine Eigenschaft, die einem an Orten, an denen sich Steer aufgehalten hatte, schnell abtrainiert wurde. Um den Seemann abzuwimmeln, zog Steer eine Packung Stuyvesant hervor.
    Â»Die Firma dankt«, krächzte Quincy.
    Wo Steer herkam, hatten sich rund um die Zigarette komplexe Formen menschlichen Miteinanders entwickelt. Es war nicht so wie draußen, wo man einfach in einen Laden ging, Zigaretten kaufte und sie dann rauchte. Im Knast waren Zigaretten eine Währung. Man trieb Tauschhandel mit ihnen, hortete sie und kaufte sich damit Gefälligkeiten. Sie beruhigten, wenn man innerlich kochte. Wenn man sie anbot, erwartete man auch eine Gegenleistung. Quincy, der jetzt zufrieden paffte, hatte von alledem keine Ahnung, doch das änderte nichts an der Verachtung, die Steer für diesen Mann empfand.
    Â»Ihr junger Freund würgt sich die Seele aus dem Leib.«
    Sie blickten zu Raymond hinüber, der steuerbords nahe der Sicherheitsreling auf der Seite lag und beide Arme um seinen Kopf geschlungen hatte. Der muss sich doch inzwischen förmlich leer gekotzt haben, dachte Steer.
    Â»Sind rund um die Inseln ruhigere Gewässer?«
    Quincy sagte, dass dem so sei.
    Â»Sind wir erst mal dort, geht’s ihm auch besser.«
    Quincys Blick wanderte hinauf zum Himmel, dann über das Deck und schließlich zu einem Punkt hinter Steers Schulter. »Hab keinen Bock auf zweifelhafte Geschichten.«
    Steer sah ihn an. Spricht der Mann über Sex? Glaubt er, dass Raymond und ich was am Laufen haben?
    Â»Hab keinen Bock, dass mir diese Arschgesichter von Schiffswrack-Inspektoren im Nacken sitzen.«
    Â»Schon klar«, sagte Steer.
    Â»Wär die ganze Aufregung nicht wert, verstehen Sie? Die könnten das Boot beschlagnahmen, uns ’ne Geldstrafe aufdrücken, uns einbuchten. Das ist es nicht wert.«
    Â»Verstehe«, sagte Steer.
    Sie beobachteten, wie Raymond sich auf die andere Seite rollte.
    Â»Ist nur ’n kleiner Schritt zwischen Herumstöbern und Plündern.«
    Â»Denke ich auch.«
    Â»Was man hier findet, gehört der Regierung. Sagt das Gesetz.«
    Jetzt hatte Steer ihn durchschaut. Über ihren Köpfen segelten die Möwen, die Luft war frisch und voller Sauerstoff,
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