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Nicodemus

Nicodemus

Titel: Nicodemus
Autoren: Blake Charlton
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halben Stunde.«
    Der große Zauberer wandte sich zu ihm um. »Erzähl mir alles ganz genau.«
    Nicodemus beschrieb die seltsamen Geräusche, und Shannon presste abermals die Lippen so fest aufeinander, dass nur noch eine schmale Linie zu sehen war. »Magister, stimmt irgendetwas nicht?«
    »Entzünde zwei meiner Kerzen. Eine lässt du hier, die andere nimmst du mit. Dann läufst du rauf zu Magister Smallwood. Der arbeitet zu so später Stunde noch. Bitte ihn, herzukommen.«
    Nicodemus holte die Kerzen aus der Schublade.
    »Danach gehst du schnurstracks zum Speicherturm – und zwar dalli, ohne Umwege.« Shannon setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Ich schicke dann Azur mit einer Nachricht zu dir. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, Magister«, sagte Nicodemus und entzündete die Kerzen.
    Shannon blätterte durch seine Manuskripte. »Du wirst den morgigen Tag mit mir verbringen. Ich habe die Erlaubnis erhalten, mit meinem Forschungszauber zu beginnen, und werde dabei deine Hilfe brauchen. Außerdem muss mich jemand bei meinen neuen Schülern in Kompositionslehre vertreten. Von deinen Lehrlingsverpflichtungen bist du befreit.«
    »Wirklich?« Überrascht lächelte Nicodemus. »Ich darf unterrichten? Den Einführungsvortrag habe ich schon eingeübt.«
    »Mal sehen«, sagte Shannon, ohne den Blick von dem Manuskript zu heben, in dem er gerade las. »Nun lauf rasch zu Magister Smallwood und danach direkt zum Speicherturm, nirgendwo anders hin.«
    »Ja, Magister.« Nicodemus griff voller Begeisterung nach einer der Kerzen und marschierte zur Tür.
    Doch als er die Klinke schon in der Hand hatte, kam ihm noch ein Gedanke. »Magister«, fragte er zaghaft, »ob die Wasserspeierin womöglich von Anfang an zweifache Kognition hatte?«
    Zögernd legte Shannon das Manuskript aus der Hand. »Mein Junge, ich möchte dir nicht wieder falsche Hoffnungen machen.«
    Nicodemus runzelte die Stirn. »Hoffnungen worauf ?«
    »Die Wasserspeierin hatte einfache Kognition, bis du sie berührt hast.«
    »Aber das ist unmöglich!«
    »Sollte es eigentlich sein«, sagte Shannon und rieb sich die Augen. »Nicodemus, auf diesem Konzil haben wir Abgesandte aus dem Norden zu Gast. Zauberer aus Astrophell, einige davon sind ehemalige Kollegen von mir. Andere gehören zu einer Gruppe von Prophezeiungsgegnern, und die sind Kakographen gegenüber noch argwöhnischer, als es die Nordländer ohnehin schon sind. Es wäre äußerst gefährlich, wenn sie erfahren würden, dass deine Berührung eine Wasserspeierin sowohl verschrieben als auch ihre Gedanken befreit hat.«
    »Gefährlich, weil sie dafür sorgen würden, dass ich meine Magie verliere?«
    Shannon schüttelte den Kopf. »Gefährlich, weil sie dafür sorgen würden, dass du dein Leben verlierst.«

Kapitel 3
    Auf dem Weg zu Magister Smallwoods Studierzimmer beobachtete Nicodemus, wie die Kerze im Takt seiner leise zitternden Hand flackerte.
    Noch nie hatte Shannon in seiner Gegenwart auch nur einen Anflug von Angst gezeigt. Doch als der alte Mann eben von der Gesandtschaft aus Astrophell gesprochen hatte, war die Anspannung in den knappen Worten nicht zu überhören gewesen. Die Nordländer mussten tatsächlich eine Gefahr darstellen.
    Noch schlimmer war jedoch Shannons Bemerkung über die »falschen Hoffnungen«, die er nicht hatte wecken wollen. Nicodemus schauderte, damit konnte der alte Mann nur Nicodemus’ enttäuschte Hoffnung in Bezug auf die Prophezeiung des Erasmus gemeint haben.
    »Flammender Himmel, hör endlich auf, darüber nachzudenken«, sagte Nicodemus einmal mehr zu sich selbst.
    Eine Reihe von Spitzbogenfenstern mit filigranem Maßwerk zierte den Gang. Nicodemus blieb stehen, um durch die geschwungenen Steinstäbe in den Sternenhimmel zu schauen. Er atmete tief durch und versuchte, sich wieder zu beruhigen.
    Doch seine Hände zitterten immer noch, und das lag weder an den Abgesandten aus dem Norden noch an der unerfüllten Prophezeiung.
    Es war der Ausdruck auf Shannons Gesicht, als er ins Mondlicht getreten war: die gerunzelten weißen Brauen, der enttäuschte Zug um den Mund des alten Mannes.
    Die Erinnerung daran lag wie ein Mühlstein auf Nicodemus’ Herz. »Ich mache es wieder gut«, flüsterte er. »Ganz bestimmt.«
    Er riss sich vom Fenster los und eilte den Korridor hinab bis zueiner offen stehenden Tür, wobei er überall Wachstropfen hinterließ. »Magister Smallwood?« Er klopfte an den Türrahmen. Der große Zauberer blickte von seiner Arbeit auf.
    Smallwood war
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