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Nick Stone 07 - Schattenkiller

Nick Stone 07 - Schattenkiller

Titel: Nick Stone 07 - Schattenkiller
Autoren: Andy McNab
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überprüfte den Sucher. Der markierende Laserstrahl erreichte wieder das Ziel.
    Die Anstrengung hatte mich ein wenig aufgewärmt, doch als ich erneut reglos im Loch lag, spürte ich die Kälte wieder. Ich nahm den Feldstecher.
    Das letzte Mädchen wurde gerade ins Gebäude gezerrt. Mladic stand in der Tür, mit einem Grinsen in seiner hässlichen, feisten Visage. Ich hätte ihm gern eine Hochgeschwindigkeitskugel in die Stirn gejagt. Nach einer Weile drehte er sich um und trat wieder ins Gebäude. Vielleicht wollte er sich selbst mit den Mädchen vergnügen.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als zu warten, während die Mädchen schrien und schluchzten. Was war los, zum Teufel? Wo blieb die verdammte Plattform?
    Ich kontrollierte noch einmal den Sucher, doch ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Wem versuchte ich etwas vorzumachen? Es würde keinen Angriff geben. Mladic und die anderen Mistkerle würden davonkommen und Gelegenheit erhalten, weitere Unschuldige zu töten.
    Zinas Augen starrten mich an. Sie waren nicht mehr klar und hell, sondern leer und trist, wie alles hier.
    Zum Teufel mit der Firma, zum Teufel mit Mladic. Ich hätte in dem Augenblick die Paveway rufen sollen, als ich Zina erkannte.

 
11
Washington D. C. Donnerstag, 2. Oktober 2003
    »Scheiß drauf, das alles liegt über neun Jahre zurück. Es ist längst Geschichte.«
    Ezra lehnte sich in seinem Sessel zurück und musterte mich mit einem jener ernsten und doch sehr verständnisvollen Blicke, die sie vermutlich an der Psychiaterschule lehren.
    Ich rutschte in meinem eigenen Sessel zur Seite, und das Leder knarrte. Holzvertäfelte Wände umgaben mich, und ich sah über sie hinweg, an den Bildern und gerahmten Urkunden vorbei. Ezra würde darin vermutlich die Suche nach einem Ausweg erkennen, aber ich wusste, dass es für mindestens weitere zwanzig Minuten keinen für mich geben würde. Schließlich blickte ich aus dem Fenster zur Arlington Memorial Bridge, fünfzehn Etagen unter uns und zwei Häuserblocks entfernt.
    »Haben Sie sich damals zum ersten Mal verraten gefühlt?«
    Ich sah ihn über den niedrigen Couchtisch hinweg an. Nur eine Schachtel mit Papiertaschentüchern stand darauf. Vermutlich für den Fall, dass ich in Tränen ausbrechen wollte.
    Ezra war ungefähr siebzig oder fünfundsiebzig. Sein Haar sah aus wie ein stahlgrauer Helm, und so alt sein Gesicht auch wirkte: Die Augen funkelten so wie damals, als er dreißig gewesen war und Psychiaterinnen bei Konferenzen in Wien beeindruckt hatte.
    Warum arbeitete er noch? Warum hatte er sich nicht in den Ruhestand zurückgezogen? Das wollte ich ihn fragen, seit ich vor neun Monaten das erste Mal zu ihm gekommen war, aber bei diesen Sitzungen ging es allein um mich. Er hatte mir nie etwas von sich erzählt. Ich wusste nur: Er bekam den Kram der Leute aufgehalst, die für George arbeiteten und in Ordnung gebracht werden mussten.
    Er hob eine Braue, um mich zur Antwort aufzufordern. Inzwischen war ich mit seinem Repertoire an Signalen dieser Art vertraut.
    »Verraten? Nein. So ein Scheiß passiert. Es war mehr ein Wendepunkt in der Hinsicht, wie ich darüber dachte. So viele Tote, so viele von ihnen Kinder. Insbesondere Zina. Es ist einfach ...« Ich zögerte und sah wieder zur Brücke. »Jetzt spielt es keine Rolle mehr, oder?«
    Er glaubte mir nicht, und ich hörte, wie ich die Stille zu füllen versuchte. »Drei Stunden hab ich dort gewartet. Die ganze Zeit über drückte ich die verdammte Sendetaste und versuchte herauszufinden, was los war. Unterdessen schlug sich Mladic den Bauch voll, genoss den Nachtisch und brach wieder auf. Und die ganze Zeit über vergnügten sich seine Jungs oben mit den Mädchen. Als ich schließlich nach Sarajevo zurückkehrte, erklärte man mir nicht einmal, warum die Sache mit der Paveway abgeblasen worden war. Man brachte mich in einem Hotel unter, wo ich auf den nächsten Job warten sollte. Zu dem es aber nie kam.«
    Ezra saß einfach da und hörte zu.
    »Wer weiß? Vielleicht wäre Zina noch am Leben, wenn sie durchgehalten und nicht die Flucht ergriffen hätte. Vielleicht wäre sie am Leben geblieben, wenn ich die Pa- veway früher gerufen hätte. Oder sie wäre von ihrem Leid erlöst worden. Verdammt, wen kümmert’s? Es ist alles Vergangenheit.«
    Ezra neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Selbst durch die Doppelverglasung hörte ich ein Flugzeug vom Ro- nald-Reagan-Flughafen auf der anderen Seite des Potomac kommen. Ich beobachtete, wie
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