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Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel

Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel

Titel: Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
Autoren: Andy McNab
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Kinder waren bald unzertrennlich. Sarah war ein vernachlässigtes Einzelkind mit einem unnahbaren, dominanten Vater, mit einer nachgiebigen, lebensuntüchtigen Mutter und ohne Gelegenheit, dauerhafte Beziehungen aufzubauen. Man brauchte keine Kummerkastentante zu sein, um zu begreifen, wie selig sie darüber war, endlich einen Freund gefunden zu haben.
    Aber George war diese Freundschaft ein Dorn im Auge. Eines Tages kamen Abeds Eltern nicht zur Arbeit. Auch der Junge kam nicht wie sonst nachmittags vorbei. Die ganze Familie schien verschwunden zu sein. Und nur wenige Tage später beendete Sarahs Vater ihren Schulbesuch in SaudiArabien und schickte sie in ein englisches Internat.
    Erst nach dem Tod ihres Vaters erfuhr Sarah, was damals passiert war. Als sie ihrer Mutter half, seinen Nachlass zu sichten, stieß sie auf eine goldene Rolex Navigator.
    »Ich hab gar nicht gewusst, dass Daddy eine Rolex hatte«, sagte Sarah.
    Ihre Mutter starrte die Armbanduhr an und brach in Tränen aus.
    Diese Rolex Navigator, ein Geschenk eines dankbaren Geschäftsfreundes, war Georges ganzer Stolz gewesen. Er hatte Abed beschuldigt, sie gestohlen zu haben, und unter diesem Vorwand die ganze Familie auf die Straße gesetzt. Da sie nun im Verdacht standen, ihren Arbeitgeber bestohlen zu haben, würden die drei nie wieder Arbeit finden. Sie würden ihr Leben als »Staubleute« fristen müssen - als Ausgestoßene der saudiarabischen Gesellschaft, die sich dem Verhungern nahe als Bettler durchschlugen. Sarah wartete, bis ihre Mutter ausgesprochen hatte, und verließ dann das Haus, ohne ein Wort zu sagen. Ihre Mutter hatte sie nie wieder gesehen.
    »Ich halte natürlich nichts von dieser blödsinnigen Masche, alles im Leben mit Kindheitstraumata zu entschuldigen«, sagte Lynn. »Meine Eltern haben mich bis zum zehnten Lebensjahr in ganz Südostasien herumgeschleppt, dann bin ich nach Eton gekommen. Hat mir nie geschadet.«
    Die junge Frau, die mich schon früher bedient hatte, knallte die Speisekarten lustlos auf die Theke. Sie schien die Vorstellung, weitere hundert Portionen Zeug mit Fritten servieren zu müssen, nicht allzu aufregend zu finden.
    Ich entschied mich für die Fleischpastete und ein weiteres Bier. Genau wie gestern Abend und vorgestern Abend. Ein Blick auf die Baby-G zeigte mir, dass es 19.48 Uhr war - gut vierzig Minuten vor meinem abendlichen Treff mit Lynn.
    Der Verkehr auf der Cambridge Street hatte kaum abgenommen, als ich auf die Straße trat, aber er floss jetzt immerhin zäh. Ich wandte mich nach links, sah erneut auf die Uhr und ging in Richtung Victoria Station. In dreizehn Minuten würde ich abgeholt werden. Ich bog um zwei Ecken und blieb wartend stehen, um zu sehen, ob mir jemand folgte. Aber ich wurde nicht beschattet.
    Ich überquerte die Straße, ging durch eine Wohnanlage, in der fast nur Vauxhall Astras und Ford Sierras mit K-Nummern parkten, setzte mich in der Nähe der Müllcontainer auf eine niedrige Mauer und wartete. Ein halbes Dutzend Jungen übte mit Skateboards auf der einzigen freien Asphaltfläche, die sie finden konnten - der Zufahrt vor mir, die auf die Straße zum Bahnhof hinausführte. Ich hörte zu, wie sie sich gegenseitig neckten, und dachte daran, wie ich mich gefühlt hatte, als ich in ihrem Alter gewesen war.
    Ich dachte an Kelly - das kleine Mädchen, dessen gesamte Familie ermordet worden war und das jetzt einen stellvertretenden Vater hatte, der es ständig enttäuschte. Und was noch viel schlimmer war: Ohne es verdient zu haben, war ich vermutlich ihr bester Freund. Ich musste wieder an Sarahs Worte denken: »Du hast jetzt ein Kind. Hoffentlich lebst du lange genug, um die Kleine wieder zu sehen.«
    Ich verdrängte das alles aus meinen Gedanken und kehrte ins reale Leben zurück, indem ich mir die beiden wichtigen Lektionen, die ich in Washington gelernt hatte, ins Gedächtnis rief. Die erste lautete, dass ich niemals wieder so nachgiebig gegenüber einer Frau sein würde, die Gefühle für mich erkennen ließ. Ich musste aufhören, mir einzubilden, ich könnte mit solchen Dingen umgehen oder verstünde sie auch nur. Die zweite war einfacher: In Zukunft würde ich überall und immer eine Pistole tragen. Ich wollte nie wieder Robin Hood spielen müssen.
    Die Abenddämmerung senkte sich herab, während ich auf der Mauer saß und meine Umgebung beobachtete. Ich bildete mir noch immer ein, Sarahs Worte zu hören: »Du hast jetzt ein Kind .«
    Der Voyager musste jeden Augenblick
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