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Nick aus der Flasche

Nick aus der Flasche

Titel: Nick aus der Flasche
Autoren: Monica Davis
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kaum sprechen, seine Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. Er taumelte die letzten Meter zum Auto und stützte sich an der Motorhaube ab, denn aus seinen Beinen wich sämtliche Kraft.
    »Das hat mir die Schwester am Telefon nicht gesagt.«
    Wieso hatte er nichts bemerkt? Der Tag war so friedlich verlaufen, der Unterricht hatte Spaß gemacht, er hatte viel gelacht … während Emma mit dem Tod gerungen hatte. Hieß es nicht, man könne fühlen, wenn ein geliebter Mensch von einem ging?
    Mit zitternden Fingern holte er den Schlüssel aus der Hosentasche und hielt ihn Julie hin. »Kannst du mich ins Krankenhaus fahren?« Er musste wissen, was passiert war. Gestern hatte sie so lebendig gewirkt, so stark.
    »Natürlich«, wisperte sie.
    Martin kratzte sich an der Wange. »Das tut mir wirklich leid mit deiner Freundin.« Nick hatte ihm, als sie das Klassenzimmer gewechselt hatten, ein wenig über Emma erzählt und dass er sie heute erneut besuchen würde. Er hatte sich schon so drauf gefreut. Sie hätten Martin nach Hause gebracht und wären gleich weiter ins Krankenhaus gefahren.
    »Macht euch keine Umstände, ich nehm den Bus«, sagte er.
    »Danke dir.« Julie holte ein Taschentuch aus ihrem Rucksack und schnäuzte sich. »Wir holen dich morgen wieder ab.«
    Martin klopfte Nick auf die Schulter, murmelte noch ein Mal: »Es tut mir wirklich leid, Mann«, und lief zu den Schulbussen.
    Ohne wirklich etwas wahrzunehmen, schaute Nick ihm nach. Wie ungerecht konnte das Leben sein? Gestern wurde er nach so vielen Jahrzehnten mit Emma vereint und heute war sie ihm genommen worden – nur dieses Mal für immer.
    Julie streifte seine Hand. »Steig ein.«
    Wie in Trance öffnete er die Beifahrertür und ließ sich in den Sitz fallen. Den Rucksack stopfte er in den Fußraum. Dann lehnte er sich zurück und schloss die Lider. Außer dem Klopfen seines Herzens, das beinahe seinen Schädel sprengte, hörte er nichts. Er fühlte sich leer.
    Erst als er Julies Hand auf seinem Oberschenkel spürte und ihr leises Schluchzen vernahm, drehte er ihr den Kopf zu.
    Während er noch keine Träne vergossen hatte, liefen sie ihr in Strömen aus den Augen.
    »Das ist so gemein, Nick. Es tut mir unendlich leid.« Sie warf sich ihm um den Hals und drückte ihn fest an sich. Ihre Finger fanden in sein Haar, zogen ihn näher.
    Ihre Wangen berührten sich, und Nick legte die Arme um Julie. Ihre Nähe tat gut. Er fühlte sich bei ihr geborgen. Sie gab ihm Wärme, Fürsorge … genau wie Emma.
    Am liebsten wollte er Julie auf seinen Schoß ziehen, mit ihr verschmelzen. Erneut erwachte der Wunsch, sie zu küssen und durch den Kuss Vergessen zu finden.
    Sein Herz schmerzte. Es schlug für Emma und Julie gleichermaßen. Konnte man zwei Menschen auf dieselbe Art lieben? Für Emma schlug es schon ein halbes Jahrhundert, für Julie erst wenige Tage, und doch war das Gefühl bereits so stark.
    Aber Emma war nun fort. Er musste sich vergewissern, es mit eigenen Augen sehen, denn er wollte nicht begreifen, dass er nie wieder mit ihr reden konnte.
    »Geht’s?«, fragte er, wobei seine Lippen ihre Wange streiften. »Sonst fahre ich.«
    Seufzend löste sie sich von ihm und lächelte schwach. »Nichts da, die Chance auf eine Fahrt lasse ich mir nicht entgehen.« Sie schnäuzte sich noch einmal und steckte dann den Zündschlüssel ins Schloss.
     
    *
     
    Zwanzig Minuten später standen sie am Empfang des Krankenhauses, doch die Schwester konnte ihnen nicht sagen, woran Emma gestorben war. »Wenn Sie einen Moment warten, kann ich …« Doch Nick wollte nicht warten. Er ging zu den Aufzügen und fuhr mit Julie in den dritten Stock. Sobald sich die Fahrstuhltür geöffnet hatte, lief er los bis zum Ende des Ganges, und riss die Tür zu Zimmer 357 auf.
    Es war leer – was hatte er erwartet?
    Er setzte sich aufs Bett und schlug die Hände vors Gesicht. Die Tränen, die er zuvor mühsam unterdrückt hatte, wollten sich nach außen drängen, aber er wollte nicht weinen, nicht vor Julie. »Ich hätte mich Emma nicht zeigen sollen«, sagte er stockend. »Sie hat sich bestimmt meinetwegen so aufgeregt und ist deshalb …«
    »Dich trifft keine Schuld«, hörte er plötzlich ihre Stimme.
    »Emma!« Er sprang auf und wirbelte herum. Sie stand vor dem Fenster, gekleidet in ein Nachthemd, wunderschön und keinen Tag älter als siebzehn. Ihr blondes Haar lockte sich auf ihren Schultern und ihre Augen funkelten wie tiefblaue Saphire. Sein Atem stockte.
    »Ist sie hier? Siehst du
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