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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories
Autoren: Ernest Hemingway
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seinem Vater sagen, wenn er nicht sofort zu Bett ginge. Er war zu Bett gegangen und hatte sich, sobald das Kindermädchen in ihrem Zimmer war, wieder unter die Lampe in der Diele gesetzt und bis zum Morgen gelesen.
    Gestern abend hatte ihn im Zelt die gleiche Furcht überfallen. Tagsüber geschah das nie: immer nur nachts. Zuerst war es mehr Begreifen gewesen als Fürchten, aber doch dicht an der Grenze der Furcht, und es war rasch zur Furcht geworden, nachdem es einmal angefangen hatte. Und als er sich dann richtig fürchtete, nahm er das Gewehr, schob den Lauf vorn zum Zelt hinaus und schoß dreimal. Der Rückstoß war sehr stark. Er hörte, wie die Kugeln durch das Gezweig fetzten. Kaum daß er die Schüsse abgefeuert hatte, war alles gut.
    Er legte sich hin, um die Rückkehr seines Vaters abzuwarten, und war eingeschlafen, noch ehe der Vater und der Onkel drüben am anderen Ufer ihre Laterne ausgemacht hatten.
    «Verdammter Bengel», sagte Onkel George, während sie zurückruderten. «Warum hast du ihm gesagt, er soll uns rufen? Der sieht doch sicher bloß Gespenster.»
    Onkel George war ein begeisterter Angler und Vaters jüngerer Bruder.
    «Ach, laß doch», sagte der Vater. «Er ist doch noch klein.»
    «Eben. Wir hätten ihn gar nicht mitnehmen sollen in den Wald.»
    «Ich weiß, er ist ein schrecklicher Feigling», sagte sein Vater, «aber in dem Alter haben wir doch alle Schiß»
    «Ich finde ihn unausstehlich», sagte George. «Außerdem lügt er wie gedruckt.»
    «Komm, laß gut sein. Du wirst noch reichlich zum Angeln kommen.»
    Sie kamen ins Zelt, und Onkel George richtete den Lichtkegel seiner Taschenlampe Nick direkt ins Gesicht.
    «Was war denn, Nickie?» fragte sein Vater. Nick setzte sich im Bett auf.
    «Es hat geklungen wie eine Kreuzung zwischen Fuchs und Wolf», sagte er. «Es hat am Zelt rumgemacht. Es war ein bißchen wie ein Fuchs, aber mehr wie ein Wolf.» Den Ausdruck ‹eine Kreuzung zwischen …› hatte er am selben Tag von seinem Onkel aufgeschnappt.
    «Ein Käuzchen wird er gehört haben», meinte Onkel George.
    Am anderen Morgen entdeckte sein Vater zwei große Linden, deren Stämme quer aneinanderlehnten, so daß sie sich im Wind rieben. «Kann es das gewesen sein, Nick?» fragte sein Vater.
    «Vielleicht», sagte Nick. Er wollte nicht daran denken.
    «Im Wald brauchst du dich nicht zu fürchten, Nick. Da gibt’s nichts, was dir etwas tun kann.»
    «Nicht mal der Blitz?»
    «Nein, nicht mal der Blitz. Wenn’s ein Gewitter gibt, geh raus ins Freie. Oder stell dich unter eine Buche. Der Blitz schlägt nie in Buchen ein.»
    «Nie?» fragte Nick.
    «Ich hab nie gehört, daß er in eine Buche eingeschlagen hätte», sagte sein Vater.
    «Mann, ich bin froh, daß ich das weiß, das mit den Buchen.»
    Und jetzt war er wieder im Zelt und zog sich aus. Er schaute nicht hin, aber er wußte, daß die beiden Schatten auf die Plane fielen. Dann hörte er, wie ein Boot auf den Strand gezogen wurden, und die Schatten waren verschwunden. Er hörte seinen Vater mit jemand sprechen.
    Dann rief sein Vater: «Zieh dich an, Nick!»
    Er zog sich an, so schnell er konnte. Sein Vater kam ins Zelt und stöberte in den Seesäcken herum.
    «Zieh deine Jacke über, Nick», sagte sein Vater.

Indianerlager
    Am Seeufer war noch ein Ruderboot heraufgezogen. Die beiden Indianer standen wartend da.
    Nick und sein Vater setzten sich hinten ins Boot; die Indianer stießen es ab, und einer stieg ein, um zu rudern. Onkel George saß im Heck des Lagerruderbootes. Der junge Indianer stieß das Lagerboot ab und stieg ein, um Onkel George zu rudern.
    Die beiden Boote brachen in der Dunkelheit auf. Nick hörte das Geräusch von den Ruderdollen des anderen Bootes ein ganzes Stück entfernt vor sich im Nebel. Die Indianer ruderten mit schnellen, abgehackten Schlägen. Nick legte sich zurück in den Arm seines Vaters. Auf dem Wasser war es kalt. Der Indianer, der sie ruderte, arbeitete angestrengt, aber das andere Boot entfernte sich immer weiter im Nebel.
    «Wo fahren wir hin, Dad?» fragte Nick.
    «Rüber ins Indianerlager. Eine Indianerin ist sehr krank.»
    «Oh!» sagte Nick.
    Jenseits der Bucht fanden sie das andere Boot schon festgemacht. Onkel George rauchte im Dunkeln eine Zigarre. Der junge Indianer zog das Boot ein Stück den Strand hinauf. Onkel George gab beiden Indianern Zigarren.
    Sie gingen vom Strand hinauf durch eine taufrische Wiese und folgten dem jungen Indianer, der eine Laterne trug. Dann kamen sie in den
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