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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories
Autoren: Ernest Hemingway
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Wald und folgten einer Spur, die auf den Holzfällerweg führte, der in den Hügeln verlief. Auf dem Holzfällerweg war es viel heller, weil die Bäume zu beiden Seiten gefällt waren. Der junge Indianer blieb stehen und blies seine Laterne aus, und sie gingen alle weiter den Weg entlang.
    Sie bogen um eine Wegkrümmung, und ein Hund kam kläffend auf sie los. Vor ihnen waren die Lichter der Blockhütten, in denen die indianischen Borkenschäler lebten. Noch mehr Hunde stürzten auf sie los. Die beiden Indianer jagten sie zu den Blockhütten zurück. In der Blockhütte, die dem Weg am nächsten lag, war ein Licht im Fenster. Eine alte Frau stand auf der Türschwelle und hielt eine Lampe.
    Drinnen auf einer hölzernen Pritsche lag eine junge Indianerin. Seit zwei Tagen versuchte sie ihr Kind zu bekommen. Alle alten Frauen aus dem Lager hatten ihr geholfen. Die Männer hatten sich auf der Straße außer Hörweite gebracht und saßen rauchend im Dunkeln. Sie schrie gerade, als Nick und die beiden Indianer hinter seinem Vater und Onkel George die Blockhütte betraten. Sie lag sehr dick unter ihrem Federbett in der unteren Bettkoje. Ihr Kopf war zur Seite gedreht. In der oberen Bettkoje lag ihr Mann. Er hatte sich vor drei Tagen mit der Axt böse in den Fuß gehackt. Er rauchte eine Pfeife. Die Stube roch sehr schlecht.
    Nicks Vater ließ Wasser auf den Herd stellen und sprach, während es heiß wurde, mit Nick.
    «Nick», sagte er, «die Frau da bekommt ein Kind.»
    «Ich weiß», sagte Nick.
    «Du weißt nicht», sagte sein Vater, «Hör zu. Was sie jetzt durchmacht, nennt man Wehen. Das Kind will geboren werden, und sie will, daß es geboren wird. All ihre Muskeln arbeiten, um das Kind zu gebären. Das geschieht, wenn sie schreit.»
    «Ach so», sagte Nick.
    Gerade in dem Augenblick schrie die Frau auf.
    «Oh, Daddy, kannst du ihr nicht irgendwas geben, damit sie aufhört zu schreien?» fragte Nick.
    «Nein», sagte sein Vater, «ich habe kein Betäubungsmittel. Aber ihr Schreien ist unwichtig. Ich höre es gar nicht, weil es unwichtig ist.»
    Der Ehemann in der oberen Koje rollte hinüber zur Wand.
    Die Frau in der Küche bedeutete dem Doktor, daß das Wasser heiß sei. Nicks Vater ging in die Küche und goß ungefähr die Hälfte des Wassers aus dem großen Kessel in eine Schüssel. In das zurückgebliebene Wasser im Kessel legte er verschiedene Sachen, die er aus einem Taschentuch auswickelte.
    «Die müssen kochen», sagte er und begann sich die Hände mit einem Stück Seife, das er aus dem Lager mitgebracht hatte, in der Schüssel mit heißem Wasser abzuschrubben. Nick beobachtete die Hände seines Vaters, die einander mit Seife abschrubbten. Während sich sein Vater sehr sorgfältig und gründlich die Hände wusch, redete er.
    «Siehst du, Nick, eigentlich sollen Kinder mit dem Kopf zuerst zur Welt kommen, aber manchmal tun sie’s nicht. Wenn sie’s nicht tun, gibt es für alle große Schwierigkeiten. Vielleicht muß ich diese Frau operieren; es wird sich bald herausstellen.»
    Als er mit seinen Händen zufrieden war, ging er hinein und an die Arbeit.
    «Zieh mal das Federbett weg, ja, George?» sagte er. «Ich möchte es lieber nicht anfassen.»
    Nachher, als er zu operieren anfing, hielten der Onkel und drei Indianer die Frau fest. Sie biß Onkel George in den Arm, und Onkel George sagte: «Verdammtes Indianerweib», und der junge Indianer, der Onkel George herübergerudert hatte, lachte ihm zu. Nick hielt seinem Vater die Schüssel. Das Ganze dauerte sehr lange.
    Sein Vater nahm das Kind auf und schlug es, damit es atmete, dann reichte er es der alten Frau.
    «Sieh mal, Nick, ein Junge», sagte er. «Na, wie gefällt’s dir als Assistent?»
    Nick sagte: «Gut.» Er blickte weg, um nicht zu sehen, was sein Vater machte.
    «So, da haben wir’s», sagte sein Vater und tat etwas in die Schüssel.
    Nick sah nicht hin.
    «Jetzt», sagte der Vater, «muß ich noch ein paar Stiche machen. Du kannst zusehen oder nicht, Nick, wie du willst. Ich muß den Schnitt nähen, den ich gemacht habe.»
    Nick sah nicht hin; mit seiner Neugier war es längst vorbei.
    Sein Vater war fertig und stand auf. Onkel George und die drei Indianer standen auf. Nick trug die Schüssel hinaus in die Küche.
    Onkel George besah seinen Arm, der junge Indianer lächelte erinnerungsvoll.
    «Ich werde es dir mit Wasserstoff auswaschen, George», sagte der Doktor.
    Er beugte sich über die Indianerin. Sie war jetzt still, und ihre Augen waren
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