Nichts als Knochen
dass es kein Unfall war?«
»Die Möglichkeit besteht jedenfalls, dass der Unbekannte in Schwarz den Mann von der Brücke gestoßen hat.«
»Aber wer sollte ein Interesse daran haben, einen Obdachlosen umzubringen?«
Thomas fuhr sich mit den Händen durch die langen roten Locken und schüttelte langsam den Kopf.
»Das glaub ich einfach nicht.«
»Vielleicht hast du Recht. Aber warum ist der Mann im schwarzen Gewand dann weggelaufen?«
»Keine Ahnung, aber vielleicht erhalten wir eine Antwort auf diese Frage, wenn wir ihn finden.«
»Das seh ich genauso. Außerdem sollten wir unter den Obdachlosen nachfragen, ob jemand den Toten kannte. Vielleicht erhalten wir da einen Hinweis. Das ist eigentlich eine gute Aufgabe für dich. Nimm dir Sven mit und klappert mal die üblichen Standorte ab.«
Thomas stöhnte auf und zog eine Grimasse.
»Ich liebe meinen Job! Man lernt doch täglich total interessante Menschen kennen. Und was hast du so vor, während ich mich in die Niederungen des Lebens stürze?«
Rebecca grinste.
»Ich werde mir zusammen mit Christina Gedanken darüber machen, wie wir den Unbekannten im schwarzen Flattergewand ausfindig machen können.«
»Versuch's mal beim Darsteller von Dr. Jekyll und Mr. Hyde im Musical Dome«, schlug Thomas vor, während er sich erhob. »Vielleicht hat der ja so was im Garderobenschrank hängen.«
Thomas und Sven hatten sich von den Kollegen eine Liste der bekannten Übernachtungsplätze von Obdachlosen in der Kölner Innenstadt besorgt. Inzwischen hatten sie schon einige Stationen erfolglos abgeklappert, und mit ihrer Laune stand es nicht zum Besten. Sie hatten vergeblich versucht, zwei Obdachlose in einem windschiefen Zelt auf den Poller Wiesen aus ihrem Rausch aufzuwecken. Danach waren sie bei einem Mattenlager unter der Hohenzollernbrücke beinahe in eine Schlägerei verwickelt worden, weil die Bewohner ihnen partout keine Auskunft über die Identität des Toten geben wollten. Als Thomas seinen Dienstausweis hervorzog, wurde die Stimmung ziemlich feindselig. Schließlich traten die beiden den Rückzug an, bevor die Situation eskalierte.
Mittlerweile hatte ein feiner Nieselregen eingesetzt, und Thomas' klatschnasse, lange Lockenpracht gab ihm ein leicht verwegenes Aussehen.
»Lass uns als Nächstes zum Römisch-Germanischen Museum gehen«, brummte er übellaunig und zog den Kopf zwischen die Schultern, damit nicht so viel Wasser in seinen Jackenkragen lief.
Sie sahen die Vierergruppe schon von weitem, wie sie sich an die Wand des Museums drückte, als sei es die Eigernordwand bei Schneesturm. Sie saßen auf mehreren Isomatten und hatten die Beine in Schlafsäcken stecken, die ihre besten Zeiten schon lange hinter sich hatten. Ein stark übergewichtiger Mann mit braunen, struppigen Haaren versuchte gerade, mit klammen Fingern eine Zigarette zu drehen. Neben ihm saß ein Mann um die vierzig mit breiten Schultern und einem kantigen Kinn, der hin und wieder einen Schluck aus einer Schnapsflasche nahm, während er darauf wartete, eine Zigarette abstauben zu können. Die anderen beiden schliefen, wobei der Linke schon zur Seite in die Horizontale gesunken war.
»Gib mir mal deine Zigaretten«, forderte Thomas seinen Kollegen auf. Sven zuckte die Achseln und gab ihm eine fast volle Packung Camel Filter. Als sie herankamen, blieben sie vor der Gruppe stehen, und Thomas klopfte eine Zigarette heraus und bot sie dem Mann mit der Schnapsflasche an.
»Ziemliches Scheißwetter heute, oder?« Thomas hielt die Schachtel aufmunternd noch ein Stückchen näher.
Der Mann sah mit zusammengekniffenen Augen von Thomas zu den Zigaretten und wieder zurück. Dann griff er zu und nahm Thomas blitzschnell die ganze Packung ab. Seelenruhig nahm er sich eine Zigarette heraus, zündete sie sich an und inhalierte tief. Dann stieß er den dicken Mann neben ihm mit dem Ellenbogen an und sagte grinsend: »Kannst aufhören, Paul, der nette Bulle hier hat uns was Besseres mitgebracht.«
»Woher wollen Sie wissen, dass ich ein Bulle bin?«, fragte Thomas, während er in die Hocke ging, um sein Gegenüber besser ansehen zu können.
»Kann ich riechen«, versetzte dieser und blies Thomas einen Schwall Rauch ins Gesicht. Immer noch grinsend, wartete der Mann auf eine Reaktion.
Thomas konnte sich kaum vorstellen, dass der Kerl bei dem Geruch, den er selbst ausströmte, noch in der Lage war, irgendetwas anderes zu riechen, hielt sich aber mit einer diesbezüglichen Bemerkung zurück. Stattdessen
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