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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung
Autoren: Gisa Klönne
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tun«, sagt Schneider ruhig. »Was anderes hab ich nämlich nicht, nur noch eine Dose Cola, und die ist für sie hier«, er zeigt auf Lea. »Nachher.«
    Lea schluchzt auf. Judith rückt näher zu ihr, streicht ihr übers Gesicht. Nachher, was heißt nachher, soll sie hier etwa die Hebamme spielen?
    »Du hast mir doch selbst von dem Kind erzählt«, sagt Schneider sachlich. »Der letzte Vollenweider. Fast hätte ich den übersehen.«
    »Was hast du vor, Schneider?«
    »Das weißt du doch längst.« Er nimmt ihr die Flasche wieder weg, trinkt einen Schluck, zieht an seiner Zigarette.
    Rache, er will Rache. Er will hier tatsächlich abwarten, bis Jonas’ Kind auf die Welt gekommen ist. Abwarten, um es zu töten. Judith starrt ihn an, merkt, wie ihre Panik zurückkommt, eine andere Panik als zuvor.
    »Und dann, Schneider, was ist dann?« Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
    Er lächelt, sieht einen Moment lang regelrecht glücklich aus. »Dann ist es vorbei, dann wirst du mich erlösen.«
    ***
    Das Szenario ist völlig irreal. Glückliche Urlauber, quengelnde Kinder, Sonne und Meer, ein erster Blick auf die Insel. Dann wird es plötzlich still, weil ein gewaltiger Rauchpilz in Sicht kommt. Die Bordlautsprecher knacken, der Pilot meldet sich und erklärt etwas, das offenbar der allgemeinen Beruhigung dienen soll. Wie immer besteht die Hälfte der Ansage nur aus Rauschen und Knistern, aber die Worte »okay« und »Landung« werden mehrfach wiederholt, und dann ist der Himmel auch schon wieder blau, und das Flugzeug geht runter, und die Urlauber klatschen und freuen sich, und also hat er es zumindest nach Samos geschafft.
    Manni schaltet sein Handy ein und schiebt sich im Urlauberpulk Richtung Flugzeugtür. Zu spät, viel zu spät, Schneider liegt uneinholbar vorn, ist mit seinem kranken Plan vielleicht schon längst durch. Sein Handy fiept los. Eine SMS des lokalen Mobilfunkanbieters heißt ihn herzlich willkommen, Maria, die griechische Kollegin, schreibt, dass sie im Eingangsbereich auf ihn wartet. Nichts sonst, gar nichts, es macht ihn verrückt, und dann dauert es noch einmal endlose Minuten, bis er tatsächlich vor ihr steht.
    Sie ist blond und saugt hektisch an einer Zigarette, genau wie die Krieger in ihren besten Zeiten. Er folgt ihr im Laufschritt zu einem Polizeijeep. Bewegung, endlich, doch kaum sind sie losgefahren, folgt auch schon die Ernüchterung. Nein, leider gebe es keinerlei Lebenszeichen oder Hinweise, erklärt seine Fahrerin. Nein, es sei weiterhin unklar, an welchen Ort Schneider mit seinen Geiseln geflüchtet sein könnte. Und wegen des Feuers könne man auch keine Suchtrupps bilden, es täte ihr leid, da sei nichts zu machen.
    Er flucht, laut und unanständig. Er verlangt ihren Vorgesetzten zu sprechen, und sie seufzt und spricht hektisch in ihr Funkgerät, schüttelt dann den Kopf, zu viel zu tun, es geht einfach nicht. Er denkt an Schneiders Wohnung, den Altar, seine Briefe. Seine Unruhe wächst, die zwei bösen Worte hämmern hinter seiner Stirn. Zu spät. Zu spät. Es ist unerträglich. Es darf einfach nicht wahr sein.
    Und dann sind sie mittendrin, fast von einer Sekunde auf die andere. Schwarzer, stinkender Qualm raubt ihnen die Sicht. Griechen mit Schaufeln und Gartenschläuchen rennen neben der Fahrbahn her und verschwinden im Dunkel. Reisebusse mit Touristen, die sich Taschentücher auf die Gesichter pressen, kommen ihnen entgegen. Dann eine griechische Familie in einem verbeulten Kleinbus, Vater, Mutter, Kinder, Oma, alle weinend.
    »Das Feuer ist noch in den Bergen, aber der Wind hat gedreht, deshalb evakuieren wir jetzt auch die Küstenregion«, sagt Maria. »Die Straße nach Limnionas ist eigentlich schon gesperrt, aber ich komm wohl noch durch.«
    »Tut mir leid«, sagt Manni. »Ich hab das unterschätzt.«
    Sie nickt mit blanken Augen, spricht erneut in ihr Funkgerät, chauffiert ihn tiefer hinein in die Apokalypse, gibt sich sogar noch Mühe, ihn zu beruhigen. Der Westen der Insel sei sicher und es sei sehr wahrscheinlich, dass Schneider sich dort aufhalte, nicht im Brandgebiet. Vielleicht wende sich ja doch noch alles zum Guten. Manni nickt und ringt sich ein Lächeln ab. Hat Schneider den Brand gelegt, ja oder nein? In dem Brief oder was immer es auch war, hat er das nicht erwähnt. Doch vielleicht ist das ein Trick. Ein Ablenkungsmanöver. Vielleicht fallen sie schon wieder auf ihn herein. Und so oder so spielt ihm das Feuer perfekt in die Hände.
    Nach weiteren zehn
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