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Nicht ohne meinen Mops

Nicht ohne meinen Mops

Titel: Nicht ohne meinen Mops
Autoren: Silke Porath
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Männer, deren einziger Lebensinhalt darin zu bestehen scheint, vor dem Arbeitsamt zu stehen und eine Kippe nach der anderen zu rauchen, haben bei dem Hundewetter offensichtlich keine Lust und sind zu Hause geblieben. Ich habe eben noch Zeit, mir auf der Toilette des Amtes die Haare mit einem Papierhandtuch einigermaßen trocken zu rubbeln, ehe ich zu Herrn Lehr hetzen muss. Unpünktlichkeit, das haben mich die letzten Wochen gelehrt, mag Lehr gar nicht. Fünf Minuten nach der Zeit und schon droht der Beamte mit Kürzung des ohnehin mehr als knapp bemessenen Geldes.
    Ich staune nicht schlecht, als ich auf die Sekunde genau das Büro betrete. Selbst Dirk Lehr, der pupstrockene Verwalter, hat einen Weihnachtsstern auf seinem Schreibtisch drapiert. Allerdings schaut die Pflanze schon genau so traurig aus wie die Primel auf der Fensterbank, von der mittlerweile nur noch bräunliche Blätter geblieben sind.
    »Grüß Gott, Frau Böhm«, schnurrt mein Berater hinter seinem Bildschirm. »Nehmen Sie doch Platz.«
    Klingt das fröhlich? Einen Tick wenigstens? Hat er gar einen Job für mich? Zum Jahreswechsel müssten doch sämtliche Arzthelferinnen der Stadt kündigen, zum Teufel noch eins!
    Ich installiere mich auf dem durchgewetzten Besucherstuhl.
    »Was haben Sie in den vergangenen Wochen unternommen, um eine Arbeitsstelle zu erlangen?« Mit einem Mal klingt Lehrs Stimme wieder gewohnt automatenmäßig, als würde eine Maschine von einem vorgedruckten Formular ablesen.
    Was ich getan habe? Nichts. Aber so schlau bin ich mittlerweile, gelbe Seiten sei Dank. Mechanisch rattere ich herunter, dass ich mich bei diesem Unternehmen und jenem beworben hätte, hier und da, da und dort. Leider, leider seien alle Stellen bereits besetzt gewesen von billigen ukrainischen Chemikerinnen, Niedriglohn-Polinnen oder sklavenarbeitsleistenden Rumäninnen mit Hochschuldiplom.
    Dirk Lehr nickt wie automatisiert. »Sie haben sicher eine Aufstellung Ihrer Aktivitäten dabei?«
    Jetzt muss ich laut Arbeitslosen-Drehbuch erstaunt schauen. Dann hektisch suchen. Dann zerknirscht verneinen. Also schaue ich erstaunt. Wühle hektisch in meiner Tasche (die außer einem Bildband über Seefische, einer Packung Tempos, einem Tampon, einem Labellostift und einem sehr, sehr leeren Geldbeutel nur den Hausschlüssel enthält) und verneine dann ganz zerknirscht: »Ach herrje, die liegt zu Hause neben dem Telefon!«
    Dirk Lehr muss einiges gewohnt sein von seinen Pappenheimern, denn er verzieht keine Miene. »Die können Sie dann beim nächsten Mal nachreichen.«
    Beim nächsten Mal? Moment – doch kein neuer Job? Nicht mal eine winzige Stelle? Hat denn keine meiner Kolleginnen das Handtuch geworfen? Offensichtlich nein, denn Dirk Lehr notiert einen neuen Termin auf einen Schmierzettel, reicht ihn mir und verabschiedet mich mit einem vollautomatisierten »Schöne Weihnachten, ich schreibe Sie im nächsten Jahr wieder an.« Schöne Bescherung!
    Mein Girokonto wird roter glühen als die Raketen am Silvesterhimmel. Talfahrt. Ganz steil. Von dem bisschen Hartz IV kann keiner leben. Okay, die Jungs stehen hinter mir. Aber wie lange noch?
    Das Wetter passt zu meiner Lage – grau, trüb, kalt. Das Einzige, auf das ich mich freue, als ich Herrn Lehr und all die anderen Arbeitslosen hinter mir lasse, ist der Abend mit Arne. 19 Tage bis Weihnachten, ein trübes Fest, keine Geschenke? Nicht für mich: Der Traumdoc hat mich zum Essen eingeladen. Halleluja, Fest der Liebe, heute, jetzt gleich!
    Ich schüttele alle grauen Gedanken ab, als ich unsere Wohnung aufschließe. Chris und Rolf sind noch nicht zu Hause (oder schon wieder weg? Stand der blinkende Plastikstern heute früh auch schon auf dem Sideboard neben dem Fernseher? Ich frage Earl, der auf seinem Kissen pennt, aber der zuckt nur mit den Schlappohren) und ich gönne mir erst mal eine ausgiebige Dusche. Meine Jungs sind Stammkunden in der Parfumerie und somit ist die Kollektion duftender Duschgels um zwei weitere Sorten angewachsen. Oriental Vanilla scheint mir das Richtige für den kommenden Abend zu sein und ich hoffe, Chris verzeiht mir, dass ich kräftig zulange. Da ich davon ausgehe, dass das Darunter wichtiger sein wird als das Darüber, entscheide ich mich für eine bequeme Jeans und einen tief ausgeschnittenen Pullover aus der vorvorletzten Saison. Mal wieder Klamotten shoppen – wäre das schön!
    Immerhin ist meine Dessousabteilung einigermaßen gut bestückt. Marc, dem Arsch, sei Dank. Während ich mich
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